Wintermond
fantastisch, das heißt: Er hat gerade erst herausgefunden, dass er es kann, und experimentiert jetzt wie wild. Außerdem mögen wir beide dieses kleine Programmkino bei mir um die Ecke und …«
»Ja, sicher!« Emma grinste. Als Meta empört nach Luft schnappte, pustete sie zufrieden Löcher in den Schaum ihres Milchkaffees, den der Kellner soeben vor ihr abgestellt hatte. »Eigentlich müsste ich ganz schön eifersüchtig auf dich sein: Mama steht völlig neben sich wegen deines jugendlichen Liebhabers, diesem kriminellen Objekt. Deine Affäre ist für sie ein einziges großes Drama, von dem sie ernsthaft glaubt, dass sich die gesamte Gesellschaft von morgens bis abends das Maul darüber zerreißt. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen, ich bin darüber hinweg, seitdem ich Mama sehr detailliert berichtet habe, wie David uns alle auf deiner Dinnerparty angeknurrt hat. Ihr schockierter Gesichtsausdruck hat mich für einiges entschädigt.«
Meta biss in die Brioche, um sich ein wenig Zeit zu verschaffen. Dabei beobachtete sie den Kellner, der, an die Theke gelehnt, eine Pause einlegte und dabei den Bleistift wie eine Zigarette zwischen den Fingern hielt.Vermutlich hatte er gerade erst mit dem Rauchen aufgehört. »Im Gegensatz zum Rest der Welt bist du offensichtlich der Meinung, dass das zwischen mir und David etwas Festes ist.«
Emma zog verblüfft die Augenbrauen hoch. »Das war doch klar, nachdem du diesen versifften Typen, der eindeutig neben der Spur stand, in dein Schlafzimmer geschickt hast, anstatt ihn ohne Zögern vor die Tür zu setzen.Wie ich schon sagte: Was auch immer er mit dir anstellt, er macht es richtig. Mit dir kann man langsam was anfangen, jetzt, da du nicht mehr bloß so eine Anziehpuppe bist.«
»Du meinst also nicht, dass der Mangel an Karls wertvollem Einfluss auf mich äußerst beklagenswert ist?«
»Ach, sei froh, dass du Karl los bist. Ich meine, jetzt habt ihr beide endlich jemanden zum Liebhaben: du deinen David und Karl sich selbst.« Ermutigt durch Metas Lachen fügte Emma noch hinzu: »Den besten Sex hat Karl immer dann, wenn er mit sich allein ist. Der ist ein solcher Egomane im Bett.«
Emma hielt inne und machte ein derart verlegenes Gesicht, dass Meta das Lachen im Halse stecken blieb. Doch dann entschied sie sich anders. Karl war Geschichte, und Emma - nun, Emma war wie immer einfach nur sie selbst: ein kleines Miststück. Aber eben ihre Schwester, und davon hatte sie nur eine. Bevor Emma zu einer Erklärung ansetzen konnte, hob Meta abwehrend die Hand. »Ehrlich gesagt, will ich es gar nicht wissen. Lass uns einfach einen Schlussstrich darunter ziehen, okay?« Emma nickte eifrig und sah dankbar aus. »Aber eins verspreche ich dir, Schwesterchen:Wenn du mir künftig dumm kommen solltest, mach dich auf Gegenwehr gefasst. Ab heute heule ich nicht mehr, wenn du mich an den Zöpfen ziehst. Ich hole mir eine Schere und schneide dir deine ab.«
Emma rang sich ein Grinsen ab. »Sei nicht so theatralisch.«
Meta wollte nicht einlenken. Mit den Fingern ahmte sie eine Schere nach: »Schnipp, schnapp.«
Ungefähr drei Sekunden lang riss Emma sich zusammen, dann kicherte sie los. Es war das albernste Geräusch, das Meta jemals von ihrer jüngeren Schwester gehört hatte, und sie stimmte gern mit ein. Voller Übermut blickte sie Emma an und genoss das bislang ungekannte Empfinden, sich in der Gegenwart ihrer Schwester wohlzufühlen. Allein weil Emma ihr in die Augen schaute und ihr so das Gefühl gab, dass sie tatsächlich etwas miteinander verband, sah sie sich gedrängt, die neue Bindung zu festigen.
»Also, ich möchte dich zwar nicht mit Bettgeschichten unterhalten, aber ich könnte dir etwas anderes, ziemlichVerrücktes erzählen«, setzte Meta an. Emma wischte sich die schwarz verschmierten Lachtränen aus dem Gesicht und schaute sie so ehrlich interessiert an, dass Meta ihr Zögern kurzerhand beiseiteschob. »Mir ist neulich ein Wolf gefolgt, als ich die Galerie verlassen habe.«
Emma spitzte die Lippen und gab ein ungläubiges Schnaufen von sich. »Ein Wolf. Du willst mich wohl immer noch ärgern.«
»Ich weiß, es klingt verrückt. Aber ich bin mir ganz sicher. Die Stimmung am frühen Abend war einfach zu schön, so dass ich mich, anstatt wie sonst nach einem Taxi zu rufen, zu einem Spaziergang entschlossen habe.«
»Du bist tatsächlich im Dunkeln zu Fuß losgelaufen? Allein?«, hakte Emma mit ungläubigem Staunen nach.
»Nun, ich hatte auch ein schlechtes
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