Wintermond
Tisch und landete gezielt vor David.Vor Zorn zog er die Oberlippe hoch und entblößte seine Zähne, während er ihn herausfordernd anstierte. Dann versetzte Hagen ihm blitzartig einen Schlag mit der geballten Faust ins Gesicht. Seine Fingerknöchel schlugen gegen Davids Wangenknochen und ließen die gerade erst verheilte Wunde unter dem Auge erneut aufplatzen.
David taumelte einen Schritt zurück, unterdrückte allerdings den Impuls, nach der brennenden Stelle zu tasten oder sich gar zur Wehr zu setzen. Demonstrativ ließ er seine Arme hängen, denn er wollte Hagen auf keinen Fall herausfordern. Doch der hatte seinen Zorn bereits wieder unter Kontrolle und sah David abermals mit einem prüfenden Blick an, der fast noch unangenehmer war als seine leicht auflodernde Gewalttätigkeit.
»Wirst du jetzt bitte so höflich sein und die Jacke ausziehen?«, fragte Hagen, wobei er sich die Fingerknöchel massierte.
Widerwillig zog David seine Lederjacke aus und ließ sie neben sich auf den Boden fallen. Hagen lächelte zufrieden, dann ging er zum Tisch hinüber und lehnte sich rücklings dagegen. Als Hagen ihn zu sich winkte, folgte David der Aufforderung dieses Mal ohne Zögern, auch wenn er einen gewissen Abstand wahrte. Er hatte nun erkannt, dass der brennende Geruch, der ihm zunehmend zu schaffen machte, von Hagen ausging, als habe der Mann gerade noch neben einem Feuer gestanden. David vermutete jedoch, dass dieser Gestank von etwas ausgelöst wurde, das weitaus unangenehmeren Ursprungs war als ein loderndes Feuer.
»Nun, dann erzähl doch einmal, warum du dich bei deinem Auftrag gestern nicht an meine Anweisung gehalten hast. Schließlich war sie unmissverständlich formuliert: Der gute Rosenboom sollte dazu ermuntert werden, über seine Entscheidung nachzudenken, sich der Pharmafirma und nicht unseren Geschäftspartnern gegenüber zur Loyalität verpflichtet zu fühlen. Du hast ihn besucht, das weiß ich. Aber du hast ihn nicht ermuntert. Unsere Geschäftspartner erzählten, er hätte heute Morgen bei den Verhandlungen eine ganz schön große Klappe gehabt.«
David verschränkte die Arme, denn das Kratzen des Stoffes an seiner Brust war mit einem Mal unangenehm und irgendwie zu intim. »Ich habe mit dem Kerl gesprochen, und er wirkte einsichtig. Es gab keinen Grund, noch eindeutiger zu werden.«
»David, warum benimmst du dich nur wie ein armseliger Idiot?«, fragte Hagen und schüttelte mitleidig den Kopf. »Ich habe dir gesagt, geh auf Nummer sicher. Dieser kleine Wichser Rosenboom glaubt nämlich, uns alle von hinten nehmen zu können. Und was machst du? Du redest ein bisschen mit ihm, und unsere Geschäftspartner reden ein bisschen mit ihm, und dann muss ich Mathol und Leug losschicken. Was glaubst du, wie es deinem Freund Rosenboom jetzt wohl geht?«
David senkte den Kopf. Nachdem er den schwitzenden und zu allem Ja und Amen sagenden Rosenboom verlassen hatte, war ihm klargeworden, dass dieser Mann es sich im Laufe der Nacht anders überlegen würde. Doch anstatt noch einmal zurückzugehen, hatte er sich durch das Nachtleben der Stadt treiben lassen, bis er sich schließlich volltrunken und mit einer Blondine an seiner Brust lehnend auf einer Tanzfläche wiedergefunden hatte.
Hagen schien zu einer ähnlichen Schlussfolgerung gelangt zu sein, denn über seine dunkelblauen Augen hatte sich ein verräterischer Schatten gelegt. »Zumindest hat dich letzte Nacht nicht das schlechte Gewissen gequält, obwohl du deinen Auftrag versaut hast«, bestätigte er Davids Vermutung. »Wir haben uns alle gut auf deine Kosten amüsiert. Wenn Amelia nicht gerade beschäftigt wäre, würde sie dir als Dankeschön sicherlich einen Kuss auf die Wange geben.« Mit verschwommenem Blick griff Hagen sich den Saum von Davids Hemd und zog ihn ein Stück näher zu sich heran.
Instinktiv ballten sich Davids Hände zu Fäusten, und er fixierte die aufgerissene Wand hinter Hagens Schulter.
»Was soll ich nur mit dir machen? Du vermasselst einen Auftrag, der dich eigentlich voranbringen sollte, bei dem du hättest beweisen können, dass du Vertrauen verdienst. Statt den Fehler auszubügeln, besäufst du dich im Niemandsland und vögelst herum. Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, tauchst du hier mit einem halben Tag Verspätung auf. Weißt du, was ich denke? Ich denke, du fühlst dich eigentlich recht wohl, wenn du Händchen haltend mit deiner Freundin Jannik durch die Straßen läufst und Kleinkram erledigst. Es ist verschenkte
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