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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Markte zu tragen. Jannik zeigte sich resistent gegen gute Ratschläge und wunderte sich weiterhin, warum er von allen wie ein Laufbursche behandelt wurde.
    »Scheiße, wir sollen es mit dem Wagen wegbringen?«
    David nickte missmutig. Keiner von ihnen konnte Autos oder andere Fortbewegungsmittel sonderlich gut ausstehen.
    »Stinkt es stark nach Verwesung?«, fragte Jannik nun mit wenig Hoffnung in der Stimme. »Du weißt doch, dass Burek ganz wild wird, wenn er das wittert. Der wird uns während der Autofahrt die Ohren vollheulen.«
    David stand auf und klopfte sich den Staub von der Jeans, während der Hund weiterhin knurrend um ihn herumtänzelte. »Dann tu uns doch beiden den Gefallen und sperr den Köter so lange in eins der leeren Zimmer des Palais ein.Wenn wir den Wagen zurückbringen, kannst du ihn ja wieder holen.«
    Bei diesem Vorschlag zeigte sich auf Janniks Gesicht sogleich ein aufmüpfiger Zug, so dass David die Antwort schon kannte, bevor sein Freund überhaupt den Mund aufmachte. »Was ist denn das für eine bescheuerte Idee: Burek hier im  Palais einsperren! Damit Malik gleich das Feuer in einem der Kamine anschmeißt, um meinen Hund am Spieß zu grillen? Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein?«
    Aber David hatte sich bereits umgedreht und war die Treppen hochgestiegen. Er winkte nur müde ab. Dann würde Burek sie eben mit seinem Geheule in den Wahnsinn treiben. Vielleicht hatte es auch sein Gutes: Unter solchen Umständen käme er zumindest nicht dazu, auch nur einen Gedanken an die letzten Stunden zu verschwenden.
    Unwillkürlich hielt David inne, als ihn die Erinnerung an feines helles Haar zwischen seinen Fingern einholte. Augenblicklich verspürte er eine Sehnsucht, in die sich eine Spur von Bedauern mischte: Ganz gleich, wie aufregend die letzte Nacht gewesen war, es würde bestimmt keine Wiederholung geben, dafür hatte er selbst gesorgt. Und so, wie diese Meta gekleidet gewesen war, hatte sie sicherlich kein Interesse, sich ein weiteres Mal auf seiner Matratze am Boden zu räkeln.
    In seiner Brust baute sich eine prickelnde Anspannung auf, die David seine trüben Gedanken vergessen ließ. Offensichtlich war er nicht der Einzige, den die Erinnerungen an die letzte Nacht gefangen hielten. Zu seiner Verwunderung war es jedoch keine gierige Jagdfantasie, die sich ihm bei dem Gedanken an Meta enthüllte, sondern Freude bei der Vorstellung, diese betörende Frau wiederzusehen. David konnte es kaum glauben. Ein Raubtier, das seine Instinkte überwand? Niemals. Nicht in alle Ewigkeit.
     

Kapitel 4
Vergebliche Liebesmüh
    Nachdem er den lockenden Fluss und die Böschung hinter sich gelassen hatte, war er kreuz und quer über den rissigen Betongrund gelaufen. Einfach nur gelaufen, seine Sinne frei und begierig darauf, alles aufzunehmen, was diese karge Gegend an Spuren von Leben zu bieten hatte. Sogar die Abgase und der Lärm des weit über ihm dahinbrausenden Verkehrs hatten ihn mit Genugtuung erfüllt. Bei der Brücke war er auf einen unter Decken und Planen versteckten Leib gestoßen, der bei seinem Anblick einen hohen, plötzlich verstummenden Schrei ausgestoßen hatte. Doch heute stellte diese einfache Beute keine Versuchung dar. Auch der stromernden Hundemeute, die vor lauter Panik in alle Richtungen geflohen war, hatte er nur neugierig hinterhergeblickt, ohne in seinem Lauf innezuhalten. In der letzten Nacht hatte er ein Geschenk erhalten, und keine noch so wilde Hetzjagd konnte sein augenblickliches Gefühl der Lebendigkeit verstärken.
    Aus einer Laune heraus hielt er schließlich an, rieb sich Nacken und Schulter an der rauen Oberfläche eines Pfeilers und genoss das elektrisierende Gefühl, das bei der Berührung entstand. Doch genau in diesem perfekten Moment setzte das unerbittliche Zerren wieder ein, und er sank beinahe in den Pfeiler ein, der ihm eben noch einen festen Widerstand geboten hatte. Der Moment der Freiheit war vorbei, seine Umrisse waren bereits von Auflösung bedroht. Und die kaum zu ertragende Leere in seinem Inneren breitete sich aus, um ihn in einem Sog zu verschlingen. Ohne etwas dagegen tun zu können,  verlor er seinen Platz in dieser Welt. Doch bevor es zu spät war, floh er voller Verzweiflung zu dem einzigen Hafen, der ihn bergen konnte - ob er wollte oder nicht.
     An diesem Nebenarm des Kanals herrschte eine Ruhe, wie man sie ansonsten nirgendwo in der Stadt fand. Die durch Betonwände gewaltsam begradigten Ufer und der schmale gepflasterte Pfad, neben dem

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