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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Liebesmüh, dir eine Aufstiegschance anzubieten, weil du es dir ganz unten in der Rangordnung gemütlich  gemacht hast.« Langsam ließ Hagen den zerknüllten Hemdzipfel los und strich ihn wieder glatt. »Deshalb werde ich dich in Zukunft erst einmal nicht mehr überfordern«, fuhr er verträumt fort, die eine Hand auf Davids Hüfte gelegt, während die andere wieder die Pelzdecke streichelte. »Du und Jannik, ihr dürft euch wieder gemeinsam der Drecksarbeit widmen. Da drüben in der Ecke unter der Decke liegt auch gleich welche - bitte entsorgen.«
     Als David wenig später aus der schiefen Eingangstür des Palais trat, saß Jannik immer noch auf der Treppe und warf einen Tennisball auf den Gehweg, dem Burek wie ein Pfeil nachjagte. David zog den Reißverschluss seiner Jacke hoch, denn nach der Unterredung mit Hagen war er durchgeschwitzt, und der Wind hatte an Kraft gewonnen. Dann setzte er sich neben Jannik, der vorgab, seinen herumtollenden Hund zu beobachten.
    Doch allzu lange hielt dieser seine Zurückhaltung nicht durch: »Und, sind noch alle Körperteile an dir dran, oder hat Hagen eine Trophäe behalten?«
    Unwillkürlich fasste David sich an die aufgeplatzte Wunde unter dem Auge, die immer noch leicht blutete. »Nein, ich bin wohl recht glimpflich davongekommen.«
    Nun wandte sich Jannik ihm zu und musterte ihn nachdenklich, bevor er sich verlegen mit der Hand über den Kopf fuhr und an den Haarfransen herumspielte. Jannik trug das hellbraune Haar sehr kurz geschnitten, nur am Hinterkopf ragte eine kleine Insel mit langen verfilzten Strähnen empor. David vermutete, dass Jannik darauf hoffte, mit der Frisur verwegen auszusehen und einen Hauch von Gefahr zu verströmen. In Wirklichkeit sah es mehr wie eine verschnittene Bubenfrisur aus.
    »Hagen hat eine Schwäche für dich«, sagte Jannik schließlich, und in seinem Gesicht zuckte es leicht, als erwarte er einen Schlag für seine Worte.
    Doch David zerschabte nur mit der Schuhspitze die aufgerauchten Zigarettenkippen, die Jannik achtlos auf den Gehweg geworfen hatte. Kurz spielte er mit dem Gedanken, seinem Freund das diffuse Schamgefühl zu beschreiben, das er in Hagens Gegenwart empfand. Jedes Mal, wenn sie einander gegenüberstanden, tat Hagen etwas, von dem er sich unangenehm berührt fühlte. Als wolle Hagen ihm nicht einfach nur klarmachen, dass er das Sagen und David zu parieren hatte, sondern auch andeuten, dass er ihn noch auf ganz anderen Ebenen dominieren könnte, wenn er nur wollte. Allerdings gelang es David nicht, die passende Beschreibung für dieses Gefühl zu finden. Außerdem war es ihm peinlich, dass Hagen solch ein merkwürdiges Spielchen mit ihm trieb.
    »Es würde mich nicht überraschen, wenn Hagen mir beim nächsten Mal ein Hundehalsband umlegen würde, an dem er mich spazieren führen kann«, erklärte er, um sein unbestimmtes Gefühl zu beschreiben.
    Jannik lachte und klopfte seinem Freund dabei auf die Schulter. Aber David entzog sich wendig der Berührung.
    »Das ist nicht witzig«, sagte er, bis er selbst schmunzeln musste und das Gefühl von Erleichterung genoss. Als Burek, angelockt von der guten Laune, angelaufen kam, streckte David seine Hand aus, um ihn zu streicheln. Doch plötzlich hielt der Hund mitten im Lauf inne und fletschte die Zähne. Einen Augenblick lang schaute David irritiert drein, dann fiel ihm wieder ein, was Bureks Instinkte geweckt hatte.
    »Hagen hat sich etwas Nettes für uns einfallen lassen: Wir sollen die Reste entsorgen, die wohl noch von einer kleinen Privatfeier übrig geblieben sind. Ich habe sie bereits zum Hinterhof getragen, damit wir das Ganze in den Wagen laden können. Eine ekelhafte Schweinerei. Als ich die Treppe runterging, ist ein Unterarm aus dem Bündel gefallen. Malik hat fast einen Herzinfarkt bekommen, weil man dieses Geschmiere wohl nie wieder richtig aus dem Zementboden rausbekommt. Ich habe ihm gesagt, er soll die Klappe halten, schließlich ist das Zeug im Audienzsaal schon aus der Decke auf den Boden gesuppt.Wenn er sich so über Flecken aufregt, kann er gleich das ganze Palais abfackeln.«
    Auf Janniks Gesicht zeichnete sich Ekel ab, den er auch nicht zu vertuschen versuchte - ebenfalls einer der Gründe, warum sich der Junge so schlecht machte: Es gelang ihm einfach nicht, im entscheidenden Moment ein Pokerface aufzusetzen. David hatte es mittlerweile aufgegeben, Jannik zu erklären, warum es nicht immer angebracht war, seine Herzensregungen für jedermann sichtbar zu

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