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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Schlagabtausch ging, breitete sich ein  unruhiges Murren aus, angestiftet von Maggies Leuten, die instinktiv den Empfindungen ihrer Anführerin folgten. Die hatte ihre Starre abgeschüttelt und zog sich unmerklich von Hagen zurück.
    Auch David spürte, wie die Stimmung umschlug. Noch vor ein paar Minuten war er davon ausgegangen, dass Hagen ihn unter dem Gejohle des Rudels überwältigen würde. Nun war er sich nicht mehr so sicher. Außerdem hatten Hagens Worte etwas in Bewegung gesetzt: Convinius hatte sich geirrt, denn Hagen war zum Mörder geworden und nicht etwa dessen Wolf. Zum ersten Mal seit dem Wandel tastete David nach der leeren Stelle, die sein abwesender Wolf in ihm hinterlassen hatte, um sogleich wieder zurückzuschrecken. Er würde töten müssen, um zu retten, was er liebte. Das begriff er nun. Aber noch war er nicht bereit dazu, den Dämon zu rufen. Stattdessen bedrängte er Hagen weiter: »Du bist ein Betrüger. Alles, was von Bedeutung ist, hast du dir erschwindelt.«
    Trotz der harschen Worte entspannten sich Hagens Gesichtszüge und nahmen einen fast verträumten Ausdruck an. »Alles, was wichtig ist, steht da unten zu meinen Füßen und wartet darauf, dass ich es erlege.«
    »Nicht erlegen - ermorden. Das hier hat nichts mit dem Wolf zu tun.«
    Anstelle von Widerworten oder eines Angriffs löste sich Hagens fiebrige Körperhaltung, und er ließ sogar seine Arme ruhig herunterhängen. Die zunehmende Unruhe auf den Rängen schien ihn nicht weiter zu kümmern. Sein Blick ruhte auf David, der erkannte, dass es den Rudelführer nicht länger gab. Hagen hatte die Verkleidung, hinter der er sich all die Jahre versteckt hatte, endgültig abgelegt. Sollte es ihm gelingen, David zu töten, würde er anschließend in seinen eigenen Reihen ein Schlachtfest eröffnen, bis Sascha kam, um ihn aufzuhalten - falls das dann überhaupt noch möglich war.
    Ein Lächeln breitete sich auf Hagens Zügen aus, dem etwas so Fremdes innewohnte, dass kein Dämon es zu überbieten vermochte. »Du hast Mathol und Nathanel getötet, du müsstest doch eigentlich wissen, wie es ist, wenn man einen Wolf erlegt. Berauschend, um so vieles besser als das Auslöschen eines langweiligen Menschenopfers. Wenn du einen Wolf tötest, dann tötest du einen, und doch sind es zwei. Es ist eine solche Qual für den Dämon, von seinem Herrn fortgerissen zu werden und fortan nichts weiter als der Schatten eines Schattens zu sein. Das Geschenk von einem solchen Opfer besteht nicht nur in dem Wissen, die absolute Macht über ein Geschöpf auszuüben, indem man ihm das Leben nimmt, sondern darin, ihm auch noch etwas anderes zu rauben: Das Opfer befähigt einen, immer weitere Opfer reißen zu können.«
    In diesem Augenblick wurde David klar, warum Convinius’ Tod die so lange unterdrückte Mordlust dieses Mannes nach all den Jahren wieder hatte hervorbrechen lassen. Ein weiteres Mal suchte er Maggies Blick, und als sie ihn erwiderte, nickte er ihr zu.Trotz der Falle, in die sie ihn gelockt hatte, konnte er mit einem Mal die Entscheidungen akzeptieren, die sie als Rudelführerin getroffen hatte: Hagen musste getötet werden. Maggie schenkte ihm ein schwaches Lächeln, dann lief sie lautlos vom Steg zu ihren Leuten am Beckenrand. Diese sammelten sich unauffällig, um sich hinter den vorderen Rängen zu positionieren.
    David zog seine Jacke aus und ließ sie auf den Boden fallen. »Ich bin nicht Convinius.«
    Die unstet zuckenden Flammen verwandelten Hagens Gesicht in eine Maske aus Blutrot und Schatten. »Nein, das bist du nicht«, erklärte er so leise, dass die Worte kaum zu hören waren. »Aber du wirst genauso sterben wie er: ohne deinen Wolf an deiner Seite.« Dann verschwand die Maske hinter einem grauen Schatten, als Hagen vom Steg heruntersprang. Er kam nur ein paar Schritte von David entfernt auf und begann sogleich, ihn zu umkreisen.
    Davids Blick hing an dem Schatten des Mannes fest, der die Umrisse eines Raubtieres angenommen hatte.Wie ein sich windender, stets in Bewegung bleibender Schutzpanzer legte sich um Hagen der Schatten, den nur eins durchdringen konnte: ein stärkerer Wolf.
    David traf eine Entscheidung - er würde seinem Wolf vertrauen. Also rief er ihn.
    Hagen spannte seine Muskeln an, dann stürmte er los.
    Davids Wolf folgte dem Ruf seines Herrn nicht.
     

Kapitel 36
Wolfszeit
    Hagen war so schnell bei ihm, dass David die Bewegung kaum nachvollziehen konnte. Er wurde bei der Kehle gepackt und ein Stück in die Luft

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