Wintermond
unnachahmliche Weise, die zerstörerische Energie ihres Gefährten so zu leiten, dass sein Rudel nicht panisch vor ihm flüchtete.
»Ich weiß es zu schätzen, dass du dich auf dem Weg zu uns nicht hinter deinem Wolf versteckt hast.« Hagens Stimme hallte durch die Kuppel wie ein dumpfes Dröhnen. »Aber dass du hier ohne deinen Schatten auftauchst, ist etwas übertrieben. Wir wissen, wie stark du durch Nathanels Tod geworden bist. Also, David, was soll die Wichtigtuerei?«
Als hätte er die höhnische Frage nicht gehört, schaute David zu Maggie hinüber, die mit leblos herabhängenden Armen hinter Hagen stand und so elend aussah, als würde sie gleich zusammenbrechen. »Wo ist Meta?«, fragte er, die Stimme unvermutet ruhig.
Doch Maggie schüttelte nur den Kopf und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Hagen, dessen Selbstbeherrschung sich mit jeder Sekunde, die David ausgeliefert vor ihm stand, zunehmend verlor. Immer drängender breitete sich sein Verlangen zu töten aus und steckte die Mitglieder seines Rudels an, die seinem schwarzen Sog nicht widerstehen konnten. Hohes Stöhnen und unterdrücktes Scharren von Füßen war zu hören, doch niemand wagte es, seinen Instinkten nachzugeben. Das bevorstehende Ritual, das im Zentrum dieser Arena zelebriert werden sollte, gehörte allein ihrem Anführer - es ging um seine Stellung, und er würde jeden reißen, der sich ihm in den Weg stellte.
Mit einem Knurren trat Hagen einen Schritt zur Seite, so dass Maggies schmale Silhouette hinter seinem breiten Rücken verschwand. »Ich habe mir deinen Blondschopf geholt, du kleiner Hurensohn, das weißt du genau. Und falls nicht, warum fragst du nicht deinen Wolf? Der könnte dir verraten, mit welchen Spuren ihres Leibes ich übersät bin.« Hagen stieß ein gehässiges Lachen aus. »Ich habe sie mir geholt, jetzt gehört sie mir, David. Deine Liebste war nichts weiter als die Vorspeise. Nun ist es Zeit für den Hauptgang.«
Obwohl David bei der Vorstellung, was Hagen Meta angetan haben könnte, fast den Verstand verlor, ließ er sich nichts anmerken. »Ehrlich gesagt, kann ich mir nicht vorstellen, dass du Meta bereits umgebracht hast. Diese Inszenierung hier dient doch ausschließlich dazu, einen Abtrünnigen vor den Augen des ganzen Rudels abzustrafen und gleichzeitig deine Macht unter Beweis zu stellen. Du solltest Meta herbringen lassen, wenn du mich bis an die Grenzen demütigen willst. Hast du aus Tillmanns Erinnerungen nicht gelernt, womit man mich am besten verletzen kann?«
»Vielen Dank für den großzügigen Tipp.« Einen Moment lang war Hagens Bariton nicht mehr als ein Knurren. »Aber ich plane etwas viel Interessanteres, als dich bloß zu brechen. Über diesen Punkt bin ich schon lange hinaus. Eine kapitale Beute ist immer auch eine besonders reizvolle. Und du hast die Fähigkeit, dich von deinem Wolf zu lösen, perfektioniert. Wenn ich dich gleich in deine Einzelteile zerlege, wird ein Teil dieser Macht mir gehören. Wer hätte gedacht, dass mein alter Freund Convinius mir ein solches Geschenk hinterlassen würde?«
»Und ich dachte, dass Convinius dir das größte Geschenk damit gemacht hatte, dass er sich von dir töten ließ.«
Hagen lachte schrill auf, so dass David unwillkürlich zusammenzuckte. Es sollte eigentlich unmöglich sein, dass ein massiger und durch und durch maskuliner Körper wie Hagens ein solches Geräusch hervorbrachte. »Nathanel, diese alte Klatschbase«, sagte Hagen, als das abstoßende Lachen endlich verklungen war und er sich die Tränen aus den Augen wischte. »Allerdings vermute ich, dass er dir nicht die ganze Geschichte erzählt hat. Als ich damals in Convinius’ Revier eingedrungen bin, ging es mir nicht darum, meinen ehemaligen Weggefährten aus dem Weg zu räumen. Eigentlich wollte ich nur einen Blick auf seinen Nachwuchs werfen. Doch mein alter Freund war leider etwas kratzbürstig. Ein Pech für Convinius, dass er seinem Wolf nicht einmal im Angesicht des Todes vergeben konnte. Sein Wolf stand hilflos da, auf seinen Ruf wartend. Als ich meine Zähne in seine Kehle grub, hatte ich sogar den Eindruck, als sei der alte Bursche mir dankbar dafür, ihn endlich von seinem Elend zu erlösen.«
»Vielleicht wäre die Geschichte ja anders ausgegangen, wenn du Convinius zuvor aufgeklärt hättest, dass die gerissenen Frauenleichen in unserem Revier nicht auf das Konto seines wildernden Wolfes gingen.«
Obwohl die meisten Rudelmitglieder kaum verstanden, um was es bei diesem
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