Wintermond
emporgerissen, bis nur noch seine Zehenspitzen den Boden berührten. Ein lähmender Schmerz durchfuhr ihn, und instinktiv griff er nach Hagens Hand, versuchte, sie gewaltsam zu lösen, obwohl er wusste, dass er nichts gegen diesen Griff auszurichten vermochte. Doch die Luft wich ihm so schnell aus den Lungen, dass er nicht anders konnte.
Abwartend stierte Hagen ihn an, und als David sich zu rühren aufhörte, löste er den Griff. Der junge Mann sank in sich zusammen, während er qualvoll ein- und ausatmete.
»Was soll das?« Hagens Stimme war nicht mehr als ein raues Flüstern. »Ruf deinen verfluchten Wolf zu Hilfe!«
Das Blut rauschte hinter Davids Stirn lauter als jede Brandung, dennoch glaubte er, ein gebanntes Schweigen in der Arena wahrzunehmen. Jeder hatte mit einem Kampf gerechnet, sogar er selbst. Ein Lachen fand den Weg über seine Lippen, das umgehend einen Hustenanfall auslöste. Abermals rief er seinen Wolf - und erneut weigerte sich der Dämon, dem Ruf seines Herrn zu folgen. Nichts schien ihm etwas zu bedeuten, weder sein Hüter noch diese einzigartige Herausforderung, gegen den Anführer anzutreten.
Im nächsten Augenblick traf eine Stiefelspitze David mit einer solchen Wucht an der Schulter, dass er auf dem Rücken aufschlug. Schwarze Schlieren tanzten vor seinen Augen. Er schloss sie einen Moment lang, und als er sie wieder öffnete, sah er Hagen hoch aufragend mit gespreizten Beinen über sich stehen. Der Ausdruck, mit dem er auf ihn herunterblickte, verriet einen Zorn, der Hagen aufzufressen drohte. Mit einer an die Grenzen stoßenden Selbstbeherrschung setzte der Rudelführer seinen schweren Stiefel auf Davids Brust und verstärkte drohend den Druck.
»Ruf ihn.«
Obwohl David befürchtete, seine Brustplatte müsse jede Sekunde zerbersten, sagte er keuchend: »Tut mir leid. Aber heute wird es wohl nichts mit dem Doppelmord.«
Hagen brüllte wie von Sinnen auf, und David nutzte den Moment, um sich zur Seite zu rollen. Sein Ausbruch kam so unvermutet, dass Hagen fast das Gleichgewicht verlor und einige Schritte zurücktaumelte. Die Macht, die seinen Körper eben noch umspielt hatte, löste sich auf. Bevor er sich wieder gefangen hatte, war David auf den Beinen. Keuchend stützte er sich auf seinen Oberschenkeln ab. Einen weiteren Angriff würde er ohne die Hilfe des Dämons nicht überstehen, das stand fest.
Hagen setzte aufs Neue zum Sprung an, hielt dann aber unvermittelt inne.Voller Unglauben blickte er auf den Hund, der sich in seiner Wade verbissen hatte. Burek hatte tatsächlich den Mut aufgebracht, ihn zu attackieren. Blitzschnell griff Hagen nach ihm, doch da war der Hund bereits zurückgewichen und kläffte ihn an, vor Furcht die Rute zwischen die Läufe geklemmt.
»Sieh an«, sagte Hagen mit einem ungewohnt belustigten Ton. »Dein Schatten hat sich also in eine Töle verwandelt. Oder ist der etwa deine heimliche Verstärkung? Ein verlaustes Fellknäuel, das darauf spezialisiert ist, Angreifern die Fersensehnen durchzukneifen, während du deinen Wolf um Hilfe anheulst?« Als David nicht reagierte - er war vollauf damit beschäftigt, Luft durch seine wunde Kehle zu ziehen -, legte Hagen den Kopf in den Nacken und stieß ein brüllendes Lachen aus, das jedoch genauso abrupt erlosch, wie es aufgelodert war. »Willst du den Wolf nicht rufen? Oder kannst du ihn nicht rufen?« Langsam kam er auf ihn zu, die Gesichtszüge bereits erneut von Schatten überlagert. »Er ist dir davongelaufen, nicht wahr?«
Mit einigen schnellen Schritten war Hagen bei David und schlang seine Arme um ihn. Obwohl David sich zur Wehr setzte, presste ihn Hagen an sich, so dass sein Gesicht an dessen Halslinie gezwungen wurde. Die vom Schatten umhüllte Haut verströmte eine Hitze, die David zu verbrennen drohte, doch noch mehr setzte ihm das Pochen der Schlagader zu. Er konnte Hagens Herzschlag spüren - so nahe hatte er ihm nie kommen wollen. Ein beißender Geruch stieg ihm in die Nase, aber auch eine Ahnung von Rosenduft. David keuchte auf.
»Ja, dieses nach Rosen duftende Miststück, das uns beiden so viel Ärger bereitet hat«, sagte Hagen unterdessen, dem es nicht die geringste Mühe bereitete, den kräftigen David gegen dessen Willen festzuhalten und sogar eine Hand über den sich aufbäumenden Rücken wandern zu lassen. »Dein Wolf ist bei ihr, so muss es sein. Dann hat Amelia also Recht behalten.«
Mit aller Kraft stemmte David sich gegen den merklich unbeeindruckten Mann, versuchte, ihn
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