Wintermond
wegzudrängen, und scheiterte. In seiner Verzweiflung brüllte David auf, doch sein Schrei verstummte an Hagens schattenumwundener Haut, als würde er in die Leere des Universums schreien.
»Amelia hat also Recht behalten«, wiederholte Hagen fast zärtlich. »Dann können wir ja eine kleine Planänderung vornehmen: Ich werde dich töten, aber zuvor werde ich dich noch ein wenig jagen, und zwar auf meine ganz spezielle Art und Weise.« Während er sprach, hatte seine Hand bereits seinen Weg unter Davids Shirt gefunden und fuhr über seine angespannten Rückenmuskeln, als könne er sich nicht entscheiden, ob er ihm Schmerzen zufügen oder ihn liebkosen sollte.Verzweifelt trat David nach Hagens Füßen, doch er glitt am Schutz des Schattens ab wie an einer Granitwand.
Hagen lachte erneut. »Das Spiel habe ich heute schon mal mit deinem Liebling gespielt, bis sie mir einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Sollen wir beide direkt dort einsteigen, wo ich mit ihr aufgehört habe?«
Im nächsten Augenblick löste Hagen die Umarmung und verpasste David einen Stoß, so dass dieser gegen die Poolwand taumelte. Das hier konnte unmöglich passieren!, schrie alles in David auf, doch da streckte Hagen erneut die Hand nach ihm aus.
»Auf diese Idee hat mich übrigens das kleine Miststück gebracht. Sie meinte, du würdest mir nicht gehören. Ich werde dir jetzt beweisen, dass du mir gehörst.«
David schlug nach dem ausgestreckten Arm, fügte sich jedoch lediglich selbst Schmerzen zu, weil sein Handgelenk gegen den vom Schatten geschützten Unterarm schlug. Hagen lächelte siegessicher. Als dessen Hand über seinen Bauch glitt, musste David unwillkürlich an die aufgerissenen Leichen denken, die Hagen hinterlassen hatte. Ausgeweidet - aber nicht mit den Raubzähnen der Bestie. Hagen war mit seinen Fingern in die Innereien seiner Beute eingedrungen.
»Nein«, sagte David atemlos, während Hagens Fingerspitzen auf seiner Haut zu brennen begannen.
Ehe Hagen seinem Wahn nachgeben konnte, zersprang plötzlich die Glaskuppel unter einem ohrenbetäubenden Dröhnen in unzählige Splitter, die sogleich von der Druckwelle des Nachhalls fortgerissen wurden. Die Fäuste gegen die Schläfen gepresst, taumelte Hagen einige Schritte zurück, das Gesicht vor Schmerz verzerrt. Ungläubig sah David zu, wie der Rudelführer ungeheure Qualen ausstand und die verschiedenen Rudel um Fassung rangen. Dann sah er zu den Metallbögen hinauf, die nun nur den Nachthimmel zu tragen schienen. Es schneite. Sein Blick wanderte zum Steg. Über ihm ging sein Schattenwolf in Angriffsstellung, den immer noch benommenen Hagen fixierend. Neben das ungewöhnlich klar umrissene Geschöpf trat Meta und sah den Rudelführer mit vor Wut und Entsetzen weißem Gesicht an.
»Du irrst dich«, sagte sie. »David gehört dir nicht.«
Ein Lächeln stahl sich auf Davids Lippen, so verrückt es in diesem Augenblick auch sein mochte. Doch Metas Anblick löste die Angst, die ihn die letzten Stunden gefangen gehalten hatte, mit einem Schlag auf. Ihr Gesicht zeigte Spuren von Gewalt, aber sowohl die Körperhaltung als auch die entschlossene Miene verrieten, dass Hagen ihr Innerstes nicht hatte brechen können. Kurz trafen sich ihre Blicke, und er erkannte die gleiche Sehnsucht, die auch er bei ihrem Anblick verspürte. Meta schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln, dann konzentrierte sie sich wieder auf Hagen, der sich mittlerweile von der Machtdemonstration des Dämons erholt hatte.
Auch in die Ränge der Arena kehrte Leben zurück. Während das pulverisierte Glas samt Schneeflocken durch die zerborstene Kuppel rieselte, erhoben sich die beiden Rudel wie aus einem Schlaf.Wer eben noch zusammengekauert am Boden gelegen und erwartet hatte, dass dieser nie zuvor verspürte Druck ihm den Brustkorb sprengen würde, tastete nun nach seinem Wolf, um in seinem Inneren einen verwirrten, aber auch seltsam belebten Dämon anzutreffen. Während Maggies Leute sich am unteren Rand der Treppen versammelten, breitete sich im anderen Rudel Unruhe aus. Fjalla, eine junge Frau, die besonders unter Hagens Führung gelitten hatte, drängte sich mit leuchtenden Augen die Treppe herunter, doch ehe sie an den Rand des Pools gelangen konnte, wurde sie von Leug mit einem Faustschlag niedergestreckt.
»Keiner rührt sich«, brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Jedem Überläufer, der es wagt, die Treppe weiter runterzukommen, breche ich das Genick. Noch bestimmt Hagen hier die
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