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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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von ihr, denn normalerweise war sie so gut erzogen, dass sie an Gegenwehr nicht einmal dachte.
    Als Eve beleidigt davonstöckelte, hatte Meta sie allerdings trotz dieses kleinen Sieges bereits vergessen, denn das Paket in ihren Händen erinnerte sie daran, dass soeben etwas viel Wichtigeres geschehen war. Unschlüssig, was sie damit tun sollte, sah sie es an.
     

Kapitel 6
Reue
    Jannik hatte beide Hände tief in den Jackentaschen vergraben, die Schultern hochgezogen und beeilte sich, mit David Schritt zu halten. Gleichzeitig war er darum bemüht, den Fontänen auszuweichen, die der Feierabendverkehr aufspritzen ließ. Er war zwar schon bis auf die Haut durchnässt, aber er kam sich jedes Mal wie ein Opfer vor, was durch die gleichgültigen Mienen der Autofahrer noch verstärkt wurde. Soll er sich eben ein Taxi nehmen wie jeder andere normale Mensch auch, schienen diese Leute zu denken. Doch genau wie David wurde Jannik lieber nass, als sich in ein Auto zu setzen.
    Er hatte vor der Galerie auf seinen Freund gewartet, mit einigen Schritten Abstand zu den hell erleuchteten Fenstern, die wie von Licht umflorte Schleusen in eine andere Welt aussahen. Während er von einem Bein auf das andere getreten war, waren seine Sinne ganz auf David gerichtet gewesen. Er spürte, wie dieser sich zuerst unsicher und gereizt gefühlt hatte, um dann von einer Woge der Enttäuschung überrollt zu werden. Da war Jannik näher an das Fenster herangetreten, über das Rinnsale von Regen flossen, die die Sicht verzerrten. Umringt von einem klinischen Weiß, überreichte David einer Frau mit Unmengen von Armreifen an beiden Handgelenken das Bild, bevor er fluchtartig das Foyer verließ.
    Erst als David wieder auf der regennassen Straße stand, konnte Jannik aufatmen. Sein Freund würdigte ihn keines Blickes, und auch der Kopf des schwanzwedelnden Hundes blieb ungetätschelt. Stattdessen ging David einfach los, ohne ein Wort zu verlieren.
    »Diese Meta hat nicht besonders begeistert ausgesehen«, platzte es schließlich aus Jannik hervor, als er Davids Schweigen nicht länger ertragen konnte. Dabei versuchte er, unauffällig einen Schritt vor seinen Freund zu treten, damit er wenigstens einen Blick auf dessen Gesicht erhaschen konnte. Eigentlich ein überflüssiges Unterfangen, denn der Missmut umgab David wie ein dunkles Energiefeld.Trotzdem wurde Jannik von seiner Neugierde übermannt, da sich David nur selten Gefühle erlaubte. Bevor er allerdings an ihm vorbeitänzeln konnte, hielt David unwillkürlich an und musterte Jannik entnervt.
    »Das ist nicht Meta gewesen, sondern eine Kollegin«, erklärte er, dann schritt er weit aus, als wolle er bloß schnell den größtmöglichen Abstand zwischen sich und die Galerie bringen.
    Jannik war das nur recht, denn dieses herrenlose Gebiet zerrte an seinen Nerven. Lieber wäre er durch ein fremdes Revier gestromert, das entsprach wenigstens seiner gewohnten Umgebung. In dieser Gegend jedoch erhoben sich die Gebäude wie gläserne Riesen. Stahl und verspiegeltes Glas weckten den Eindruck von Eleganz, aber die schiere Menge dieser Gebäude machte sie wieder zunichte. Genau wie der allgegenwärtige Staub, der den Regen in verdreckten Schlieren an den Scheiben herunterlaufen ließ. Diese Ecke der Stadt war erfüllt mit dem Vibrieren der Rechner, Telefone und Leuchtstoffröhren. In den Schaufenstern, die so zurückhaltend dekoriert waren, dass sie schon fast leer aussahen, wurden exklusive Kleidung und Schmuck, Hightech und Antiquitäten ausgestellt. Doch niemand war unterwegs, um diese verwaisten Luxuszellen zu erobern. Diese Läden, die sich dicht an dicht aneinanderreihten, wirkten fast selbst wie Ausstellungsstücke. Auch wenn er es nicht zugegeben hätte, gruselte es Jannik vor diesen Kunstwelten. Zwar wäre er David so ziemlich überallhin gefolgt, aber je eher sie dieses merkwürdige Viertel verließen, desto besser.
    Zwei Blöcke weiter verdaute Jannik immer noch die Information, dass David lediglich einer Kollegin seiner Angebeteten das Päckchen übergeben hatte, und versuchte, sie mit Davids Emotionen während seines Galerieaufenthalts abzustimmen. So viel Enttäuschung, bloß weil diese Meta nicht da gewesen war - eine Frau, mit der er sich lediglich eine Nacht lang vergnügt hatte?
    Als David ihm von seinem Plan erzählt hatte, die Frau zu suchen und ihr zur Wiedergutmachung für seine Grobheit etwas zu schenken, hatte er ihm begeistert zugestimmt. Ein cleverer Schachzug. Wenn es gut gelaufen

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