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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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stand ein klitschnasser David mit Baseballkappe auf dem Kopf und in abgewetzter Lederjacke und weigerte sich, vor Eve in die Knie zu gehen. Trotz ihrer hohen Absätze musste diese den Kopf in den Nacken legen, um ihn aufgebracht anfunkeln zu können.
    Plötzlich drehte Eve sich um und deutete auf die Bronzefigur, neben der sie Meta vorhin zurückgelassen hatte. Beide schauten einen Moment lang auf den verwaisten Platz. Dann verschränkte Eve demonstrativ die Arme vor der Brust, als David ihr das Paket in die Hände drücken wollte. Sie wandte sich sogar leicht zur Seite, um ihn für seine Impertinenz abzustrafen. Aber als er Anstalten machte, einfach an ihr vorbeizugehen, packte sie ihn am Arm.
    Meta konnte Eves Gesicht sehen: Ihre Freundin war schlicht  fassungslos, dass dieser schlecht erzogene Laufbursche eine solche Frechheit an den Tag legte. Für einen Augenblick nahm sie David durch Eves Augen wahr: ein junger Kerl, der eine unterschwellig brodelnde Aggressivität ausstrahlte. Ein Niemand, die Verkörperung allen Elends, das diese Stadt zu bieten hatte. Während ihr Eves strenge Stimme durch den Kopf hallte, kräuselte Meta abschätzig die Lippen.
    In diesem Moment traf sie Davids suchender Blick. Das tiefe Blau seiner Augen flackerte auf, und ein Lächeln zeichnete sich ab, das sofort wieder erlosch. Er blinzelte noch einmal kurz, als habe er angesichts ihrer Miene einen Schlag ins Gesicht erhalten, dann senkte er den Kopf. Bevor Meta ihre Starre abwerfen konnte, hatte er der unwilligen Eve bereits das Paket in die Hand gedrückt und war durch den Ausgang verschwunden.
    Meta schluckte. Dann schluckte sie erneut, während ihre Fingerspitzen und das Dreieck zwischen den Schulterblättern wie verrückt zu brennen begannen. Das eben, das war falsch gewesen.Wie hatte das nur passieren können? Sie hätte ohne Zögern zu David gehen müssen, ein paar Worte mit ihm wechseln... zumindest sein Lächeln erwidern!
    Von sich selbst enttäuscht, stöhnte Meta auf, dann führte sie sich das eben Geschehene noch einmal vor Augen. In dem Moment, als Davids Blick sie gefunden hatte, was hatte er gesehen, das ihn so verletzt hatte? Eine Frau, die sich hinter einem Türrahmen versteckte und zusah, wie der Mann, der sie suchte, nach allen Regeln der Kunst abgewiesen wurde. Er wird denken, dass es mir peinlich ist, mit ihm in Verbindung gebracht zu werden, dachte Meta. Aber hätte sie es tatsächlich fertiggebracht, auf ihn zuzugehen, während Eve daneben stand? Sie konnte es nicht sagen.
    In der Zwischenzeit hatte Eve sie entdeckt und stolzierte auf sie zu, das durchnässte Paket mit Sicherheitsabstand von  sich haltend. »Was hast du auf der Toilette getrieben?«, fragte sie und musterte Meta von Kopf bis Fuß - wortwörtlich bis zum Fuß, wie diese überrascht feststellte. Denn offensichtlich war es ihr völlig entfallen, wieder in ihre Pumps zu schlüpfen. Sie stand barfuß auf dem weißen Fliesenboden und lieferte Eve damit eine wunderbare Geschichte, die sie Karl bei Gelegenheit brühwarm auftischen konnte.
    Dann drückte sie das Paket Meta in die Hand, deren Finger mühelos durch den Papierumschlag sackten. »Dieses hübsche Etwas hat ein gewisser David für dich abgegeben - ein Geschenk, wie er sagte. Noch einer von deinen angehenden Künstlern vom Stadtrand?«
    »Nicht ganz«, erwiderte Meta tonlos. Ihre Verstörung wich kalter Wut. Was bildete Eve sich eigentlich ein, dass sie ohne jede Hemmung alles durch den Dreck zog, was ihr wichtig war? Sie hatte nicht übel Lust, an ihrer glatten Fassade zu kratzen, ihr eine Provokation entgegenzuschleudern. Ein kühles Lächeln schlich sich auf Metas Züge. »Das eben war ein Bekannter. Und das hier dürfte eine Skizze von seinem besten Stück sein, absolut beeindruckend. Soll ich es jetzt gleich auspacken? So etwas wolltest du doch bestimmt schon immer einmal ansehen.«
    Obwohl Eve - konfrontiert mit einer so unerwarteten Frechheit - schwieg, zuckte es verräterisch unter ihrem Auge. »Du solltest Karl um eine Verabredung bitten, damit sich möglichst bald wieder alles zum Guten wendet. So langsam mache ich mir nämlich Sorgen um dich, meine Liebe. Dieser David sah aus, als suche er abends die Straßen nach leichter Beute ab. Und von so jemandem möchtest du doch nicht gefunden werden, oder?«
    »Das war dann wohl ein Nein zu meinem netten Angebot?«, sagte Meta und lächelte zuckersüß, obwohl ihr vor Aufregung flau war. Diese Kratzbürstigkeit war noch ein ungewohnter Zug

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