Wintermond
schon«, sagte Jannik und streckte vorsichtig die Hand aus, um Davids Arm zu berühren, hielt aber mitten in der Bewegung inne.Was er gleich sagen wollte, würde seinem Freund sicher nicht gefallen. Aber wenn er Davids Verhalten richtig einschätzte, brauchte sein Freund einen Schuss vor den Bug, bevor er sich noch mehr in diese heillose Geschichte verrannte. »Das mit dir und dieser Frau, das war doch bloß ein bisschen Ficken. Mit einer zweiten Nummer wird es offensichtlich nichts, was soll’s. Ist doch besser so, als wenn sie sich eine Liebesgeschichte erhofft hätte. Das hätte die Sache doch erst recht schwierig gemacht.«
Zu Janniks Beunruhigung nickte David lediglich vage, ohne seinen Blick zu erwidern. Wirklich überzeugt sah er nicht aus. Wenn David sich tatsächlich etwas in dieser Richtung erhoffen sollte, war es besser, ihm gleich klar und deutlich zu sagen, dass er sich das abschminken musste. Sehr viel besser, als anschließend seine Reste einzusammeln, wenn Hagen mit ihm fertig war.
»Das mit Liebesgeschichten ist nichts für uns beide, David«, sagte Jannik deshalb leise. »Es in einer Nacht mal knallen zu lassen, ist ja okay. Da lachen alle anderen drüber und kraulen sich gegenseitig die Eier, während sie dreckige Witze reißen. Aber wenn du anfängst, dich auf jemanden einzulassen, der nicht zu uns gehört … Du weißt doch genauso gut wie ich, wie das dann läuft.«
David hielt den Kopf immer noch gesenkt, aber bevor Jannik erleichtert ausatmen konnte, sah David auf. »Vielleicht hätte ich Hagens Angebot, im Rudel aufzusteigen, doch nicht so leichtfertig ausschlagen sollen«, sagte er mit rauer Stimme, als fiele es ihm schwer, die Worte hervorzubringen.
Mit aufgerissenen Augen setzte Jannik einen Schritt zurück. »Das ist nicht dein Ernst.«
»Wir werden sehen.«
Kapitel 7
Kaffeetrinken
»Hallo, ich wollte fragen, ob du vielleicht Zeit und Lust auf einen Kaffee hast? Ich kann zur Versüßung der Pause sogar ein paar Trüffel beisteuern.« Rahel war in der Tür stehen geblieben und hielt eine durchsichtige Zellophanpackung in die Höhe, in der sich cremefarbene Pralinen türmten. »Himbeer-Chili - klingt das schick genug für dich?«
Meta wedelte mit der Hand,unfähig,den Blick vom Schreibtisch zu lösen. Doch dieses Zeichen reichte Rahel aus, und sie schlüpfte ins Büro, wobei ihr versehentlich heißer Kaffee über das Handgelenk lief. Hastig stellte sie die beiden Becher auf dem Schreibtisch ab und ignorierte Metas missbilligendes Naserümpfen angesichts der Flecken.
Entspannt sank Rahel in einen der üppig gepolsterten Besuchersessel und wischte das Handgelenk an ihrer Stoffhose trocken.Wenn Meta jemandem die Frau aus der Buchhaltung hätte beschreiben müssen, so hätte sich dieses Bild hervorragend angeboten. Denn so war Rahel: eine entspannte, pragmatisch veranlagte Frau mit dunklem Lockenhaar, das - obwohl sie erst Mitte dreißig war - von ersten grauen Strähnen durchzogen war. Rahel kümmerte sich nicht um solche Eitelkeiten, die in ihren Augen reine Zeitverschwendung waren. Genauso wenig wie um ihre üppigen Hüften und den Bauch, der gerade unter dem Poloshirt hervorblitzte. Für Meta, die mit einem Bekanntenkreis gestraft war, für den eine Rubensfigur so abstoßend schien wie schwarz verfärbte Zahnstumpen, war Rahel zu einem Ruhepol in ihrem überspannten Alltag geworden.
Diese gemeinsamen Pausen hatten sich seit einigen Monaten eingebürgert. Meta konnte gar nicht mehr sagen, wie es dazu gekommen war, und auch nicht, was sie und Rahel sich eigentlich zu erzählen hatten. Von außen gesehen waren sie zwei vollkommen verschiedene Frauen, in deren Leben es kaum Berührungspunkte gab. Nichtsdestotrotz verging die Zeit immer rasend schnell und mit viel Gelächter. Nicht diesem schrillen Lachen, bei dem man sich gegenseitig zu übertrumpfen versuchte, weil ja alles so schrecklich witzig war, sondern mehr ein lockeres Glucksen.
»Himbeer-Chili?«, wiederholte Meta mechanisch, und doch schwang eine Mischung aus Verlangen und einem Hauch von Panik mit. Unter der cremefarbenen Hülle zeichnete sich ein zart pinkfarbener Kern ab. Unwiderstehlich. »Na, dann gibt es heute Abend wohl wieder nur Miso-Suppe.«
Rahel beobachtete, wie Meta sich über den zu groß geratenen Schreibtisch beugte, um sich eine Trüffel und den Kaffeebecher zu angeln. »Da ist Vollmilch drin«, sagte sie und bereute den Kommentar sofort, weil Meta sich anschickte, den Becher wieder wegzustellen.
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