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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Klirren ließ sie die Gabel auf den Teller fallen und schaute dann mit großen Augen in die Runde, als verstünde sie nicht recht, warum plötzlich alle Blicke auf ihr ruhten.
    »Gut«, erwiderte Meta mechanisch, »denke ich.«
    »Du hättest ihn mitbringen sollen, Schatz. Das ganze Hin und Her ist doch lächerlich auf die Dauer.« Elise fuhr hektisch mit ihrer Gabel durch das Risotto, um davon abzulenken, wie sehr ihr dieses Thema zusetzte. Sie schwärmte für Karl. In ihren Augen war er der perfekte Schwiegersohn - einmal davon abgesehen, dass er ihre Tochter in regelmäßigen Abständen verließ. »Lorenz, du hast ihn doch neulich beim Squash getroffen.Warum hast du ihn nicht eingeladen? Karl ist doch sonst auch jeden Sonntag mit von der Partie.«
    Metas Vater zuckte gleichgültig mit der Schulter. Seit Karl seine erste offizielle Auszeit von Meta genommen hatte, fand der Bursche keine Gnade mehr bei ihm. Ein Luftikus, der sich mit edlen Mineralwassersorten auskannte. Die ganze Stadt schien voll von solchen Männern zu sein, und solange sich Meta nicht entscheiden konnte, einen echten Kerl nach Hause zu bringen, hielt er sich bei diesem Thema zurück.
    »Sicherlich geht es Karl supergut«, sagte Emma, ohne eine Miene zu verziehen.
    »Wie meinst du das?« Bei Meta stellten sich sämtliche Härchen auf.
    »So einen Mann wie Karl lässt man nicht zappeln. Das solltest du eigentlich wissen, mein Kind«, fuhr Elise fort, als habe es den kleinen Zwist zwischen ihren beiden Töchtern gerade nicht gegeben. Trotzdem tauchten zwei grellrote Flecken auf ihren Wangen auf, die selbst das sauber aufgetragene Make-up nicht zu verdecken vermochte.
    »Ich lasse Karl in keinerlei Hinsicht zappeln«, erklärte Meta, die viel lieber ihrer Schwester auf den Zahn gefühlt hätte, als ihre Mutter zu beruhigen. »Karl braucht eine Auszeit, und ich denke, die soll er sich ruhig auch nehmen.« Mittlerweile hasste Meta das Wort Auszeit.
    »Du würdest ihm ausweichen, sagt er.« Elise hielt sich die Hand vor den Mund, als ob sie das nicht hätte sagen dürfen.
    Daher weht also der Wind, dachte Meta. Die beiden haben miteinander gesprochen. Soso.
    Neben ihr knisterte es, als Emma aufstand und den metallisch schimmernden Stoff ihres Kleides glattstrich. »Entschuldigt mich«, sagte sie und verschwand mit der Zigarettenschachtel in Richtung Toilette.
    Am liebsten wäre Meta ihr gefolgt, doch ihre Mutter hatte mit dem Thema Karl noch nicht abgeschlossen, nun, da sie sich ohnehin schon verplappert hatte. »Er versteht ja, dass dir die Situation zu schaffen macht. Aber er befürchtet, dass sich der Abstand zwischen euch unweigerlich vergrößert, wenn ihr euch nicht weiterhin trefft.«
    Meta stöhnte leise. Das war genau die Art von verquerer Rede, die sie nicht mehr hören konnte. »Auszeit bedeutet, dass man sich nicht sieht, Mama«, sagte sie betont gelassen, dabei ballte sie ihre Hand so sehr um die Gabel, dass ihr die Nägel ins Fleisch schnitten. Lorenz, der ihre Anspannung bemerkte, legte ihr fürsorglich eine Hand auf den Unterarm, sagte aber nichts.
    »Kind …« Elise stockte, dann streckte sie den Rücken durch und spitzte die Lippen. Augenblicklich fühlte sich Meta wieder wie ein kleines Mädchen, das von seiner Mutter einer Missetat überführt wird. »Gibt es da jemand anderen?«
    Vor lauter Verblüffung blickte Meta zu ihrem Vater hinüber, aber der hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und sah sie nachdenklich an. Er war offensichtlich genauso gespannt auf die Antwort wie ihre Mutter. Fast hätte Meta befreit aufgelacht und gesagt: »Ja, ich habe mich in einen jungen, verwahrlosten Kerl verliebt. Es ist einfach so passiert. Deshalb kann Karl sich auch eine Auszeit nehmen, bis er schwarz wird, dieser untreue Bastard.«
    Aber so leicht war es nicht. Zum einen war sie schon lange mit Karl zusammen und teilte mit ihm neben dem gemeinsamen Freundeskreis so viele Erinnerungen und Interessen, dass sie ihn nicht von einem Tag auf den anderen aus ihrem Leben tilgen konnte. Trotz allem, was passiert war, vermisste sie ihn. Außerdem gab es ihr ein Gefühl von Unsicherheit, dass er ihrem Leben nicht weiterhin die gewohnte Struktur verlieh. Zum anderen waren nun schon zwei Wochen vergangen, seit  David das Bild in der Galerie abgegeben hatte, und seitdem war er nicht wieder aufgetaucht. Zwei schreckliche Wochen lang zerbrach sie sich nun also schon den Kopf, ob sie ihn überhaupt jemals wieder zu Gesicht bekommen würde. Er war

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