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Winternacht

Winternacht

Titel: Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
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die Augen brannten.
    Ich setzte mich auf und zog die Decke fest um mich. »Was ist mit Leo?«
    Rhia lachte gezwungen, rutschte ebenfalls hoch und legte den Kopf an meine Schulter. »Leo? Ich weiß nicht, ob ich ihn je richtig gekannt habe. Ich dachte es, aber jetzt glaube ich, dass ich nur die Vorstellung geliebt habe, jemanden zu lieben. Oder vielleicht habe ich den Mann geliebt, für den ich ihn gehalten habe. Er hat mich in dem Glauben gelassen, er sei die Person, die ich in ihm sehen wollte. Kein einziges Mal hat er mir erzählt, dass er Interesse am Vampirdasein hat.«
    So ungern ich Partei für diesen Mistkerl ergriff, ich musste zugeben, dass ich Leo teilweise verstehen konnte. Das allzu Menschliche war mir nicht fremd. »Er wusste wahrscheinlich, was du dachtest. Er wollte, dass du ihn liebst, daher hat er getan, was immer du für richtig halten würdest … Tun wir das nicht alle hin und wieder?« Ich hielt inne. Mir lag eine Frage auf der Zunge, aber ich wusste nicht, ob ich sie stellen sollte. Andererseits hatten wir hier einen spontanen Mädelsabend, und es gab keine bessere Gelegenheit. »Was ist mit Chatter? Hast du mit Leo mal über ihn gesprochen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Nie.«
    »Aber du hast an ihn gedacht.«
    Rhiannon seufzte leise. »Ich habe Chatter im Teenie-Alter noch ein paarmal im Wald getroffen. Ich glaube nicht, dass Grieve davon etwas wusste – wir hielten es geheim. Ich konnte mir aber einfach nicht vorstellen, dass es eine Chance für uns gab.« Sie blickte zu mir auf. »Dennoch denke ich, dass ich nie einen anderen geliebt habe. Ich konnte ihn einfach nicht vergessen. Er war immer rücksichtsvoll, sanft, und er enttäuschte mich nie. Von ihm bekam ich den ersten Kuss. Doch dann geschah das mit dem Mädchen, und ich schämte mich zu sehr, um es ihm zu sagen. Ich war überzeugt, dass er mich für eine solche Tat verabscheuen würde, also ging ich nicht mehr in den Wald.«
    Luna hatte uns im matten Licht der Fünfundzwanzig-Watt-Glühbirne, die nackt von der Decke baumelte, beobachtet und schweigend zugehört. Nun setzte auch sie sich auf. »Wenn ich euch höre, wird mir wieder klar, wie gut ich es habe. Meine Familie liebt mich und steht zu mir, auch wenn sie mich vielleicht nicht versteht. Was Männer angeht, hatte ich bisher keine große Liebe, aber ich habe auch noch keinen großen Verlust erlitten. Ich habe bisher nur davon gesungen. Vermutlich lebe ich solche Dinge durch meine Musik auf indirekte Art.«
    Ich streckte den Arm nach ihr aus und nahm ihre Hand. »Du hältst dich bemerkenswert gut. Und wir sind dankbar und froh, dass du bei uns bist.«
    Sie zog die Beine zum Schneidersitz an. »Es ist fast Mitternacht. Ich sollte Zoey jetzt anrufen. Bei ihr ist es jetzt Morgen.«
    »Wo residieren die Akazzani denn?«, fragte Peyton.
    Luna schüttelte den Kopf. »Das kann ich euch nicht sagen. Nicht einmal ich weiß es. Aber die Zeitdifferenz kenne ich. Dort, wo sie lebt, ist jetzt schon alles wach.«
    »Dann los, ruf an. Ich denke, wir dürfen diese Sache nicht länger geheim halten. Myst ist wild entschlossen, ihre Seuche auf der ganzen Welt zu verbreiten. Wenn wir es nicht überleben, muss jemand außerhalb von New Forest wissen, was geschieht. Und das ist auch der Grund, warum wir zum Konsortium gehen müssen.« Es war an der Zeit, die Nachricht zu verbreiten. Wenn Lainule recht hatte, dann gab es überall auf der Welt Kolonien von Vampirfeen, die sich ausbreiteten.
    Luna entfernte sich ein bisschen von uns und klappte ihr Handy auf. Um ihr ein wenig Privatsphäre zu lassen, wenn sie mit ihrer Schwester sprach, wandte ich mich an Peyton.
    »Hat dein Vater gesagt, wann genau er hier sein will?«
    »Zwischen acht und neun Uhr.« Sie zog die Beine an und legte ihr Kinn auf die Knie. »Ich weiß einfach nicht, was ich erwarten soll, also versuche ich, gar nichts zu erwarten.«
    Ich blickte auf meine Füße, die unter der Decke hervorlugten, und bohrte die Zehen in das Kirschkernkissen. Es war kuschelig warm, und ich entspannte mich und versuchte, die Wärme nach oben zu locken.
    »Es ist einfach zu verrückt. Es kommt mir vor, als sei Los Angeles Millionen Meilen entfernt und meine Zeit dort tausend Jahre her. In nicht einmal zwei Wochen ist mein ganzes Dasein auf den Kopf gestellt worden, und alles, woran ich bisher geglaubt habe, scheint keine Gültigkeit mehr zu haben. Wenn ich sagen würde, dass ich mich etwas verloren fühle, wäre das eine gigantische

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