Winternacht
Kissen eingenäht, die dann in der Mikrowelle – oder wie in diesem Fall im Ofen – erwärmt wurden. Wenn man sie sich ans Fußende unter die Decke legte, erzeugten sie in frostigen Nächten eine behagliche Wärme.
»Danke. Aber was ist mit den Heizöfen?«
»Keine gute Idee, wenn so viele brennbare Gegenstände herumliegen. Aber wir haben genau wie letzte Nacht Decken und Kissen aufgeschichtet, sie sollten die schlimmste Kälte mildern.«
Und damit verschwanden wir Frauen in einen Nebenraum.
Ich vergewisserte mich, dass die Tür geschlossen war, bevor wir die Kirschkernkissen unter die Decken stopften und uns umzogen. Es war eine Erleichterung, wieder Nachtwäsche zu haben. In den vergangenen zwei Nächten hatten wir in Jeans und Pullovern geschlafen. Als wir vorhin im Haus der Schleier gewesen waren, hatte Kaylin oben für uns Frauen zusammengerafft, was er an Klamotten hatte finden können, so dass jede von uns wieder Sachen und Wäsche zum Wechseln hatte. Außerdem hatte er mitgedacht und an persönlichen Dingen eingepackt, was immer uns nützen konnte, und dafür würde ich ihn ewig lieben. Ich hatte PMS im kritischen Stadium und nahm eine Ibuprofen, nachdem ich mir ein weiches Flanellnachthemd übergezogen hatte.
Wir hatten auf dem Boden des Zimmers verschiedene Kissen und Polster zu einer großen Matratze zusammengeschoben, auf der wir Frauen locker zu dritt Platz fanden. Im linken Bereich gab es einen Toilettenverschlag und ein Waschbecken. Ich sehnte mich nach einer Zahnbürste, aber im Augenblick mussten die Tube Zahnpasta, die Kaylin gefunden hatte, und unsere Finger reichen. Falls wir losziehen würden, um unsere Vorräte aufzustocken, würden wir auch an Zahnbürsten denken.
Nachdem wir uns umgezogen hatten, wuschen wir uns rasch und schwelgten in dem heißen Wasser, das über unsere Hände rann. Schließlich krochen wir auf das Bettenlager und unter die Decken.
»Glaubt ihr, dass wir gewinnen können?«, fragte Rhiannon nach einem Moment. »Glaubt ihr wirklich, dass wir Myst besiegen können?«
»Es ist keine gute Idee, sich vor dem Einschlafen mit düsteren Gedanken rumzuschlagen.« Ich hatte mich offensichtlich ziemlich barsch angehört, denn Rhia drehte gekränkt den Kopf weg. Ich zog die Decke bis zum Kinn hinauf und fügte sanfter hinzu: »Ich weiß nicht, aber wir geben alles. Und wenn wir es schaffen sollten, Lainules Herzstein zu finden, dann haben wir jedenfalls einen Vorteil auf unserer Seite.«
Peyton seufzte. »Ich bin gespannt auf meinen Vater. Du weißt doch, wie das ist, seinen Vater nie zuvor gesehen zu haben, Cicely … Was ist das für ein Gefühl, jetzt, da du ihn kennengelernt hast?«
Ich dachte einen Moment nach, bevor ich antwortete. »Ganz ehrlich? Vor allem bin ich erleichtert, dass er kein Spinner ist. Und kein Junkie. Ich hatte ja viele Jahre nur Krystal vor Augen. Nun weiß ich, dass meine Geburt von Lainule und Wrath geplant worden ist. Krystal war nur ein Instrument. Ein Gefäß, um mich wieder auf diese Welt zu bringen. Aber ich frage mich die ganze Zeit, ob Wrath wenigstens etwas für sie empfunden hat. Er … er ist so weit entfernt von allem, was Krystal jemals hätte sein können. So anders als jeder andere, den sie vielleicht hätte kennenlernen können.«
Seitdem ich wusste, wer mein Vater war, spielte ich in meinem Kopf mögliche Szenarien durch, wie sie sich vielleicht kennengelernt haben mochten. Vielleicht war sie einfach im Wald spazieren gegangen und er quasi aus dem Nichts aufgetaucht, um sie zu bezaubern. Vielleicht war er auch in seiner Eulengestalt eines Nachts in ihr Zimmer geflogen, hatte sich wie im Märchen in einen wunderschönen Prinzen verwandelt und ihr versprochen, ihr alle Sorgen zu nehmen. Vielleicht. Vielleicht würde ich es auch niemals erfahren. Und vielleicht war das auch gut so.
Peyton schniefte. »Als Kind habe ich mir eingeredet, dass Rex tot war. Andernfalls hätte er doch kommen und nach uns sehen müssen. Ich konnte einfach nicht glauben, dass er irgendwo gesund und munter existierte, obwohl er eine Tochter hatte, die sich nach ihm sehnte, ohne ihn je kennengelernt zu haben.«
Rhiannon gab ein zustimmendes Murmeln von sich. »Ich weiß noch immer nicht einmal ansatzweise, wer mein Vater ist – oder was ich bin. Im Augenblick bin ich nur eine Frau, die … die einst ein kleines Kind umgebracht hat, und meine Mutter ist eine Vampirin im Dienst einer Bestie.« Sie klang so einsam und verängstigt, dass mir unwillkürlich
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