Winternacht
wollte.
»Es scheint mir momentan die beste Idee zu sein. Hoffentlich machen wir uns nicht zu Vollidioten.« Ich bedauerte längst, dass ich mich auf Kaylins Idee eingelassen hatte, aber wir hatten vertuschen müssen, dass Heather entführt worden war. In jenem Augenblick hatten wir es nicht gewagt, dem Konsortium von Myst zu berichten; wir waren uns noch nicht sicher gewesen, wem wir vertrauen konnten und wem nicht. Nun, da uns klar war, dass wir nicht in der Lage waren, der Fürstin der Vernichtung allein die Stirn zu bieten, konnten wir es ebenso gut zugeben.
Kaylin hatte alle Kräuter auf dem Tisch ausgebreitet und schob sie nun zu Häufchen zusammen. Luna setzte sich zu ihm.
»Wir brauchen mehr Vorräte.« Er hielt eine Tüte getrockneter Blätter hoch. »Ist das Beifuß oder Verbene?«
»Verbene, glaube ich«, sagte Luna und begann, ebenfalls zu sortieren.
»Danke. Weißt du was, Luna? Ich denke, wir sollten morgen rüber nach Monroe fahren und uns umschauen, was wir so finden können. Allerdings sollten wir meinen Wagen nehmen. Cicelys GTO ist zu auffällig. Ich habe keine Lust, mich von der Straße drängen zu lassen.«
Entgeistert blickte ich auf. »Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass die Schattenjäger das versuchen würden, oder? Sie haben mit moderner Technik doch gar nichts am Hut. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie in einen Wagen einsteigen können – ganz zu schweigen davon, ihn zu fahren.« Ich nahm einen Beutel mit Knoblauch-Schutzzauber. »Vielleicht sollte ich so einen Zopf zum Schlafen tragen, damit Lannan sich nicht in mein Bett wagt.«
»Keine besonders tolle Idee«, unterbrach Lannan, der gerade wieder eintrat.
Ich fuhr zu ihm herum. Meine Wangen wurden heiß. Ich hatte einen Scherz gemacht – zumindest zum Teil –, aber Lannan sah das sicher nicht so.
Aber er schüttelte nur den Kopf und sagte: »Die Schattenjäger versuchen vielleicht nicht, dich von der Straße zu drängen, Geoffrey könnte aber durchaus auf die Idee kommen. Wenn er auch nur den Verdacht hat, dass ihr das Konsortium um Hilfe bitten wollt, wird er euch aufzuhalten versuchen. Er will diesen Krieg allein ausfechten.«
»Tja, ich habe ihn offensichtlich vollkommen falsch eingeschätzt, nicht wahr?« Ich war der Meinung gewesen, Geoffrey sei der vernünftigste aller Vampire, aber das hatte sich als alberne Illusion erwiesen.
»Aha? Und denkst du auch, dass du mich vollkommen falsch eingeschätzt hast?«, fragte Lannan im Flirtton.
Ich warf Grieve einen raschen Blick zu. »Nein, ich glaube, Typen wie dich kenne ich in- und auswendig. Hier, ein bisschen Schmuck für dich.« Ich warf ihm den Knoblauchzopf zu, doch Kaylin fing ihn im Flug auf und steckte ihn sich in die Tasche.
»Was war das?«, fragte Lannan und trat einen Schritt vor.
»Nichts. Nur ein dummer Impuls«, gab Kaylin zurück. »Hör nicht hin. Sie ist bloß müde.«
»Aha.« Doch Lannan starrte mich weiterhin an.
Ich kam zu dem Schluss, dass ein Rückzug das Klügste war. »Ich lege mich schlafen, wir können morgen noch reden. Grieve, Geliebter, gehst du mit?« Ich hatte mich ausgesprochen dämlich benommen. Lannan patzige Antworten zu geben, war eine Sache. Wenn er gut gelaunt war, mochte er darüber hinweggehen. Aber ihm bewusst einen Abwehrzauber entgegenzuschleudern? Dümmer ging’s wohl nicht. Kaylin hatte recht. Ich konnte es wirklich nur der Erschöpfung zuschreiben. Wieder wandte ich mich an Grieve. »Kommst du?«
Aber er warf meinem Vater einen Blick zu, der den Kopf schüttelte. Widerwillig beugte Grieve sich vor und gab mir einen Kuss. »Nicht heute Nacht. Du und die anderen Mädchen, geht schlafen. Wir haben die Betten vorhin ein bisschen aufgepolstert, ihr solltet es also bequem haben. Schlaft ganz beruhigt. Chatter und ich wachen über euch.«
Ich hätte gern protestiert und gesagt, dass wir keine Wache brauchten, aber das wäre dumm gewesen. Wir alle hatten unsere Qualitäten, aber niemand war unbesiegbar, und obwohl ich Ulean bei mir hatte, war ich genauso verwundbar wie jedes von Mysts nächsten Opfern. Vielleicht sogar noch mehr.
Ich gähnte und streckte mich, um Lannan nicht ansehen zu müssen. »Ja, gehen wir schlafen. Wir müssen uns alle ausruhen. Ich fühle mich körperlich total erschlagen und geistig noch viel mehr.« Ich winkte Luna, Peyton und Rhiannon. »Kommt, Mädels. Ab in die Heia.«
»Hier, nehmt die hier mit.« Chatter gab uns Kirschkernkissen, und ich erkannte sie. Meine Tante hatte immer Kirschkerne in
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