Winternacht
ja offenbar klar, dass wir uns nicht kampflos ergeben würden.«
Erik schauderte wieder. »Der Meister wird nicht gerade glücklich sein.«
Ich blickte zu Kaylin. »Hol ihm bitte eine Decke.« Dann wandte ich mich wie beiläufig wieder zu Erik um. »Vielleicht tut er dir ja nichts. Aber vielleicht gibt er dich auch an Leo zum Spielen weiter. Wie verkraftet Leo denn diese ganze Vampirnummer bisher? Hat er Durst? Ich habe mal gehört, dass neugeborene Vampire unglaublichen Durst haben und es ihnen egal ist, wen sie aussaugen.«
Erik wurde noch eine Spur blasser und nickte. »Ja, angeblich hat er schon ziemlich gewütet.« Er wandte sich halb in die Richtung um, in der er Rhiannon vermutete. »Wirklich, ich wollte dir nichts tun. Leo ist ziemlich sauer auf dich, sagt aber, wenn du dich entschuldigst, würde er dich zurücknehmen. Was dich angeht …« Er drehte sich wieder zu meiner Stimme um. »Er hasst dich. Er hat gesagt, dass … Ach, schon gut.«
Ich konnte mir durchaus vorstellen, was Leo gesagt hatte. Im Augenblick hätte ich es jedenfalls vorgezogen, stundenlang mit Lannan in einem Raum eingesperrt zu sein, als mich am Karmesin-Hof aufzuhalten, in dem sich Leo offenbar austobte. Dennoch würde er sich wohl nicht besonders lange behaupten können, wenn er weiterhin eine solch arrogante Haltung an den Tag legte.
»Ja, ich weiß schon, was er von mir hält. Und was will Geoffrey von mir?« Natürlich wusste ich das. Zumindest hatte ich die dumpfe Ahnung, dass unser edler Regent beabsichtigte, seine ursprüngliche Idee, mich zu verwandeln, umzusetzen – mit oder ohne meine Einwilligung.
»Er teilt uns Tagesboten seine Pläne nicht mit.« Er zuckte zusammen, als Kaylin die Decke um seine Schultern legte, hörte aber dann auf zu zittern. »Was habt ihr mit mir vor? Werdet ihr mich umbringen?«
»Tja nun, wir haben ein kleines Problem, Erik. Wir können dich schlecht einfach wieder zu Geoffrey zurückgehen lassen, nicht wahr? Oder vielleicht … vielleicht können wir das ja doch.« Ich umkreiste ihn langsam und sehnte mich danach, ihm einen Hieb zu verpassen oder ihn zu treten, irgendetwas, um ihm heimzuzahlen, was er mit Peyton anstellen wollte.
»Indem wir ihn als Boten schicken?« Kaylin war nicht so zurückhaltend wie ich und schlug Erik ins Gesicht. »Kopf hoch, Kumpel. Wie’s aussieht, stirbst du heute doch noch nicht. Jedenfalls nicht, bis Leo seine Zähne in dich schlägt.«
»Ja, vielleicht hat er Glück und lebt noch ein wenig länger.« Ich nickte. »Okay, Erik, hör zu.« Ich beugte mich vor und sprach leise in sein linkes Ohr. »Weiß Lainule, dass Geoffrey euch geschickt hat?« Er wand sich, um meinem Atem zu entkommen, und ich strich mit dem Finger über seine Halsschlagader. »Mein Geliebter Grieve könnte sich auch ein Schlückchen von dir nehmen. Oder Lannan. Du weißt doch, dass Lannan Altos auf unserer Seite steht, nicht wahr?«
»O nein, bitte nicht der. Obwohl ich nicht weiß, ob Leo wirklich besser ist.« Erik ließ den Kopf nach vorn sinken, und als er sprach, war seine Stimme leise, wenn auch klar verständlich. »Nein, die Sommerkönigin weiß nichts davon. Geoffrey hat mir befohlen, niemanden etwas zu sagen. Er und sie … sie hatten gestern einen Riesenstreit. Ich hab’s zufällig mitbekommen. Sie hat gedroht, ihn zu pfählen, und er hat sie des Hauses verwiesen.«
Ärger im Paradies. Gut für uns.
»Hast du auch gehört, worum es bei dem Streit ging?«
»Nicht wirklich, aber du hattest etwas damit zu tun. Sie hat gesagt, sie hätten einen gewaltigen Fehler gemacht. Geoffrey hat sie angeschrien, dass sein Plan wunderbar funktioniert hätte, wenn sie ihm erlaubt hätte, dich mit Gewalt zu nehmen.« Er brach ab und atmete tief durch. »Also werdet ihr mich umbringen? Eigentlich spielt es keine Rolle mehr. Geoffrey wird wissen, dass ich mit euch gesprochen habe, und dann bestraft er mich dafür. Oder er schenkt mich Leo, der sauer sein wird, weil ich ohne Rhiannon zurückgekommen bin.«
»Du bist ja wirklich loyal«, sagte Rhiannon. Sie kam zu ihm und stieß ihn mit dem Fuß an. »Du enttäuschst mich. Ich dachte, wir wären Freunde.«
Erik zuckte mit den Achseln. »Tagesboten haben keine Freunde. Das solltest du inzwischen selbst wissen. Wir haben uns an unsere Meister gebunden und können diese Bindung nicht mehr lösen. Uns bleibt nur, als Bluthuren zu dienen oder verwandelt zu werden, wenn sie sich dazu herablassen. Oder zu sterben.«
Rhia kniete sich neben ihn und legte
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