Winternacht
Sie befanden sich auf dem Dach an ungefähr derselben Stelle wie wir.
Ja, ich kann mich anderen verständlich machen, wenn ich es will, und mir kam es klug vor, ihnen zu sagen, was ihr vorhabt. Ulean hörte sich fast spitzbübisch an. Sie haben beschlossen, es euch nachzutun. Der Wind nahm an Kraft zu, und ich spürte, dass Ulean darauf reagierte. Auch in mir regte sich etwas. Der Wind lockte uns, mit ihm zu spielen, und auch meine Eulenseite drängte sich hervor, doch ich durfte ihr jetzt nicht nachgeben.
Ich sah mich zu Kaylin um, der mir den erhobenen Daumen zeigte, schwang die Füße über die Kante und ließ mich direkt auf den einen Tagesboten fallen. Kaylin tat es mir nach und riss den anderen zu Boden, und Wrath befand sich direkt hinter uns.
Ich hörte einen lauten Ruf vom anderen Ende des Gebäudes – vermutlich hatten auch die anderen angegriffen –, aber ich hatte inzwischen gelernt, meinen Blick nicht von meinem Gegner abzuwenden. Hastig rollte ich mich über den Boden. Bei meiner Landung auf dem Mann hatte ein Knie meinen Sturz abfangen müssen, aber der Schnee hatte den Aufprall tatsächlich abgefedert. Schnell sprang ich auf die Füße und sah überrascht, dass der andere schon stand.
»Wer bist du? Und was willst du?« Wachsam umkreiste ich den Mann, während ich aus dem Augenwinkel sah, dass Kaylin dasselbe mit seinem tat.
»Bleib zurück. Oder du wirst es bereuen.« Mit einer flüssigen Bewegung holte er etwas Faustgroßes hervor und hielt es mir auf der Handfläche entgegen.
» Fuck – eine Granate? Was willst du denn mit einer Granate?« Mein erster Gedanke war, dass Geoffrey sie geschickt hatte, um uns alle in die Luft zu jagen – ein Selbstmordattentat. Bluthuren taten, was immer ihr Meister von ihnen verlangte. Aber etwas in seinem Gehabe sagte mir, dass er keine Bluthure war. Nein, Tagesboten waren mehr wert als das.
»Du und der Rotschopf kommen mit uns, dann lassen wir die anderen in Frieden.« Sein Finger legte sich an den Schalthebel.
Ich blickte zur Granate, dann zurück zu ihm. »Wie unbedingt willst du uns denn?«
»Mein Befehl lautet, euch beide mitzubringen.« Während er sprach, trieben seine beiden Kollegen am anderen Ende des Gebäudes Rex, Peyton und Chatter auf uns zu. Auch sie hielten Granaten in den Händen.
»Wenn ihr uns so unbedingt haben wollt, werdet ihr uns wohl kaum in die Luft jagen«, sagte ich triumphierend. »Glaubt ihr etwa, wir lassen uns drohen und kommen von allein mit?« Ich schüttelte den Kopf. »Das wird so was von gar nicht passieren.«
»Ach, meinst du?« Der Mann im dunklen Staubmantel sah mich unverwandt an, während er einem seiner Kumpels winkte. Der marschierte zu Peyton, packte sie und zerrte sie zu mir. Er band ihr die Hände hinterm Rücken zusammen, holte eine Rolle Klebeband aus seiner Jacke und befestigte die Granate an ihrem Körper, während sein Partner uns mit der anderen in Schach hielt. Doch erst als er ein Seil um den Hebel der Granate band und sich rückwärtsbewegte, während er das Seil abwickelte, kapierte ich, was die vorhatten.
»Nein – hört auf damit! Tut das nicht!«
»Wenn du und deine Cousine mit uns kommt, dann lassen wir die da gehen, ohne sie in tausend blutige Stückchen zu sprengen.«
Während Panik in mir aufstieg, verwandelte sich Wrath plötzlich in eine Eule und flog auf Peyton zu. Kaylin schleuderte einen Wurfstern in die Hand des einen Mannes, und mit einem Aufschrei ließ er das Seil fallen, das zur Handgranate führte. Im gleichen Moment entflammte Chatter plötzlich zu einer Feuersäule, die auf den Mann mit der anderen Granate in der Hand zurotierte.
»Zurück!«, schrie ich Rex zu. »Geht zurück!« Ich warf mich hinter einen Schneehaufen, beschirmte meine Augen und versuchte etwas zu erkennen, ohne den Kopf zu weit heben zu müssen, aber eine Explosion tauchte alles in grelles Licht, und scharfe Schreie zerrissen die Luft. Als ich hinter meinem Wall aus Schnee hervortaumelte und mich panisch umblickte, sah ich, wie Wrath etwas in die andere Richtung schleuderte, und eine zweite Explosion erschütterte den Boden.
Ich rang um Luft, während ich herauszufinden versuchte, wer noch stand und wer nicht. Rex war an Peytons Seite – anscheinend war er zu ihr gelaufen, anstatt sich in Deckung zu bringen – und löste ihre Fesseln. Chatter stand einfach nur da und wirkte desorientiert, doch als ich auf ihn zurannte, breitete er die Arme für mich aus.
Ich warf mich hinein und umklammerte seine
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