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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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die schlammige Straße entlang und traten immer wieder in tiefe Pfützen. Verwirrt und bekümmert fand Mather weder Worte der Entschuldigung noch der Rechtfertigung.
    Jacqueline hörte zu schimpfen auf und drehte sich mit einem sonderbaren Funkeln in den Augen zu ihm um. Die Worte, in die sie ihr Fazit kleidete, waren die zweifellos unerquicklichsten, die er je zu hören bekommen hatte.
    »Das Problem mit dir, Jim, und der Grund, warum du für solche Leute so leichte Beute bist, ist, dass du denkst wie ein Studienanfänger – du bist von Berufs wegen ein netter Kerl.«
    II
     
    Der Zwischenfall und die Verstimmung waren vergessen. Mathers grenzenlose Gutmütigkeit hatte alle Unebenheiten innerhalb einer Stunde geglättet. Zwar wurden im Verlauf der nächsten Tage noch Anspielungen geäußert, doch mit abnehmender Frequenz, bis auch sie verstummten und in die Rumpelkammer des Gedächtnisses verbannt wurden. Ich sage Rumpelkammer und nicht Vergessen, denn leider vergessen wir das, was wir vergessen, nie ganz. Das Thema wurde davon überlagert, dass Jacqueline sich mit ihrem gewohnten Elan und ihrer unerschütterlichen Gelassenheit an die lange, mühsame und kraftraubende Aufgabe machte, ein Kind zu bekommen. Ihre naturgegebenen Charakterzüge und Vorurteile verstärkten sich, und sie war weniger denn je gewillt, fünf gerade sein zu lassen.
    Es war April, und sie hatten noch immer keinen neuen Wagen. Mather hatte feststellen müssen, dass er von seinen Einkünften fast nichts sparen konnte, und in einem halben Jahr galt es eine Familie zu ernähren. Das machte ihm Sorgen. Eine Falte – klein, zögerlich, unauffällig – machte sich zum ersten Mal als Schatten um seine offenen, freundlichen Augen bemerkbar. Inzwischen arbeitete er bis tief in die abendliche Frühlingsdämmerung hinein, und oft nahm er mit nach Hause, was am Tag unerledigt geblieben war. Auf den neuen Wagen würden sie noch eine Weile verzichten müssen.
    Ein Nachmittag im April, an dem die ganze Stadt in der Washington Street zum Einkaufen unterwegs zu sein schien. Jacqueline ging langsam an den Geschäften vorbei und dachte ohne Angst und ohne Niedergeschlagenheit darüber nach, in was für eine Form ihr Leben nun unwillkürlich gezwungen wurde. Der Wind führte trockenen Sommerstaub mit; das Sonnenlicht wurde lebhaft von den Schaufensterscheiben zurückgeworfen und malte strahlende Regenbogen in die Benzinlachen auf der Straße.
    Jacqueline hielt inne. Keine zwei Meter von ihr entfernt parkte ein nagelneuer Sportwagen am Straßenrand. Daneben standen zwei Männer, die sich unterhielten; im selben Augenblick, in dem sie in dem einen der beiden den jungen Bronson erkannte, sagte dieser wie nebenbei zu dem anderen: »Wie finden Sie ihn? Habe ihn heute Morgen bekommen.«
    Jacqueline machte brüsk kehrt und ging mit schnellen, festen Schritten zur Firma ihres Ehemanns. Mit ihrem üblichen knappen Nicken an die Adresse der Sekretärin marschierte sie an ihr vorbei zum Büro ihres Mannes. Bei ihrem abrupten Eintreten sah Mather überrascht von seinem Schreibtisch auf.
    »Jim«, sagte sie aufgeregt, »hat Bronson dir jemals die dreihundert zurückgezahlt?«
    »Also – nein«, antwortete er ausweichend, »noch nicht. Er war letzte Woche hier und hat mir erklärt, dass er im Augenblick Geldschwierigkeiten hat.«
    Ihre Augen glänzten in zornigem Triumph.
    »Ach nein, wirklich?«, rief sie giftig. »Aber er hat gerade einen Sportwagen gekauft, der mindestens zweieinhalbtausend Dollar gekostet haben dürfte.«
    Ungläubig schüttelte er den Kopf.
    »Ich habe ihn mit eigenen Augen gesehen«, bekräftigte sie. »Und ich habe gehört, wie er sagte, dass er den Wagen gerade erst gekauft habe.«
    »Er hat mir aber versichert, dass er Geldschwierigkeiten hat«, erwiderte Mather hilflos.
    Jacqueline brachte ihre Verzweiflung mit einem Geräusch zum Ausdruck, das eine Mischung aus Seufzen und Stöhnen war.
    »Er hat dich benutzt ! Er wusste, wie leichtgläubig du bist, und hat dich benutzt. Begreifst du das nicht? Er wollte, dass du ihm den Wagen kaufst, und du hast ihm den Wagen gekauft!«
    Sie lachte bitter. »Wahrscheinlich hält er sich den Bauch vor Lachen, wenn er daran denkt, wie leicht es war, dich reinzulegen.«
    »O nein«, widersprach Mather mit entsetzter Miene, »du hast ihn sicher mit jemandem verwechselt –«
    »Wir müssen zu Fuß gehen, und er fährt auf unsere Kosten«, unterbrach sie ihn erregt. »Oh, es ist wirklich zu komisch, wirklich zu

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