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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Schlenker, um einem pechschwarzen Leibdiener auszuweichen. Der Leibdiener machte sich mit einem Hammer und Nägeln an einer morschen alten Blechkiste zu schaffen, an deren Rückseite die stolze Aufschrift TARLETON, GA. prangte.
    Ein Mädchen mit gelbblondem Haar und einem warmen Teint lag in der Hängematte und sah aus, als könnte sie jeden Moment einschlafen. Neben ihr saß ein Gentleman in einem äußerst engen Anzug. Sie waren am Tag zuvor gemeinsam aus dem eleganten Erholungsort Southampton zurückgekehrt.
    »Als Sie zum ersten Mal hier aufgetaucht sind«, erklärte sie ihm gerade, »dachte ich, ich würde Sie nie wieder sehen, deshalb habe ich mir die Sache mit dem Barbier ausgedacht. In Wirklichkeit bin ich schon recht weit herumgekommen – mit oder ohne Schlagringe. Ich feiere in diesem Herbst mein Debüt.«
    »Da war ich wohl ziemlich blauäugig«, meinte Jim.
    »Und sehen Sie«, fuhr Amanthis fort und schaute ihn etwas ängstlich an, »meine Verwandten hatten mich nach Southampton eingeladen – und als Sie sagten, Sie führen dorthin, wollte ich sehen, was Sie vorhatten. Ich habe immer bei den Harlans geschlafen, mir aber ein Zimmer in der Pension genommen, damit Sie nichts merkten. Und mit dem richtigen Zug bin ich deshalb nicht gekommen, weil ich früher da sein und ein paar Leute vorwarnen musste – sie sollten alle so tun, als würden sie mich nicht kennen.«
    Jim stand auf und nickte. »Ich und Hugo fahren dann wohl besser mal los. Wir müssen bis zum Abend in Baltimore sein.«
    »Das ist ein weiter Weg.«
    »Ich möchte heute Nacht im Süden schlafen«, sagte er.
    Gemeinsam gingen sie den Pfad hinunter, an der dümmlich grinsenden Diana-Statue auf dem Rasen vorbei.
    »Sehen Sie«, sagte Amanthis sanft, »hier oben braucht man genauso wenig reich zu sein, um – um herumzukommen, wie in Georgia –« Sie unterbrach sich. »Wollen Sie nicht nächstes Jahr wiederkommen und noch eine Akademie gründen?«
    »O nein, Ma’m, nein. Dieser Mr. Harlan meinte, ich könnte ja mit der alten weitermachen, aber ich habe abgelehnt.«
    »Sind Sie – haben Sie denn kein Geld damit verdient?«
    »Nein, Ma’m«, antwortete er. »Mir bleibt von meinen eigenen Einkünften gerade noch genug, um nach Hause zu kommen. Zwischendurch war ich mal im Plus, aber ich habe ja auf großem Fuß gelebt, und dann waren da noch die Miete und die Gerätschaften und die Musiker.«
    Er fand es nicht nötig zu erwähnen, dass Mr. Harlan ihm einen Scheck hatte geben wollen.
    Sie waren bei seinem Automobil, als Hugo gerade den letzten Nagel einschlug. Jim öffnete ein Fach in der Tür und holte eine unbeschriftete Flasche heraus, die eine weißlich-gelbe Flüssigkeit enthielt.
    »Ich wollte Ihnen ja eigentlich noch ein Geschenk besorgen«, sagte er verlegen, »aber mein Geld war weg, ehe ich’s wahrmachen konnte, also schicke ich Ihnen was aus Georgia. Das hier ist bloß ein persönliches Andenken. Es ziemt sich für Sie zwar nicht zu trinken, aber wenn Sie erst in die Gesellschaft eingeführt sind, wollen Sie ein paar von den jungen Männern vielleicht mal zeigen, wie guter alter Whiskey schmeckt.«
    Sie nahm die Flasche. »Danke, Jim.«
    »Schon in Ordnung.« Er wandte sich an Hugo. »Dann fahren wir wohl mal los. Gib der Lady den Hammer.«
    »Ach, den Hammer können Sie behalten«, sagte Amanthis mit Tränen in den Augen. »Wollen Sie mir nicht versprechen, dass Sie wiederkommen?«
    »Eines Tages – vielleicht.«
    Er betrachtete einen Moment lang ihr gelbblondes Haar und ihre von Schlaf und Tränen verschleierten blauen Augen. Dann stieg er ins Auto, und als sein Fuß die Kupplung fand, veränderte sich sein ganzes Gebaren.
    »Dann also adieu, M’am«, verkündete er mit eindrucksvoller Würde, »wir fahren über den Winter nach Süden.«
    Er schwenkte seinen Strohhut, dass es aussah, als habe er Palm Beach, St. Augustine, Miami im Visier. Sein Leibdiener drehte an der Kurbel, sprang auf seinen Sitz und wurde sofort von der heftigen Vibration erfasst, in die das Automobil geriet.
    »Über den Winter nach Süden«, wiederholte Jim und fügte leise hinzu: »Sie sind das hübscheste Mädchen, das ich je kennengelernt habe. Sie gehen jetzt wieder da rauf und legen sich in die Hängematte und schlafen – schla-afen –«
    Es klang fast wie ein Wiegenlied, als er das sagte. Er verneigte sich vor ihr, formvollendet, tief – den ganzen Norden schloss seine gr0ßartige Verbeugung mit ein…
    Dann fuhren sie in einer ziemlich

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