Winterwelt (Sommer-Sonderpreis bis zum 06.08.2012!) (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
mich.“
Als Arrow die Tränen nicht länger unterdrücken konnte, versuchte sie, sich von Keylam abzuwenden, doch er ließ sie nicht gewähren.
„Arrow, irgendetwas ist geschehen, als du Nebulae Hall warst – etwas, das du nicht erzählen möchtest. Du bist so rastlos wie nie zuvor. Krampfhaft versuchst du, die Dinge in deiner Umgebung in Ordnung zu bringen und bist dabei so furchtlos, dass es mir Angst macht.“
„Wie kommst du darauf, dass ich mich nicht fürchten würde?“, fragte sie unter Tränen.
„Weil du einfach planlos alles in Angriff nimmst, was sich dir in den Weg stellt“, antwortete Keylam beunruhigt. „Arrow, ich werde dir jetzt eine Frage stellen und du musst sie mir wahrheitsgemäß beantworten.“
Angespannt blickte sie Keylam in die Augen. Tausende Gedanken gingen ihr durch den Kopf und bei einem zuckte sie immer wieder zusammen. Du hast das Tor geöffnet, flüsterte es immer und immer wieder in ihrem Inneren.
„Bei der Jagd“, begann Keylam mit zitternder Stimme, „als du deinem Vater begegnet bist – hast du da aufgegeben?“
„Wie meinst du das?“, fragte Arrow erschrocken.
„Hast du ihn als Geist interpretiert und dich aufgegeben, um ihm zu folgen und sein Leid zu teilen?“
Sie bewegte sich nicht. Versteinert, wie eine Statue sah sie ihn an.
„Arrow, bist du etwa so waghalsig, weil dir dein Leben egal ist? Weil du denkst, dass du im Leben keine Antworten finden kannst, sondern nur im Tod?“ Obwohl er sich bemühte, so rücksichtsvoll wie möglich zu klingen, wurde er mit jedem seiner Worte zorniger.
„Hör auf damit“, würgte sie flehend hervor.
Wieder lenkte Keylam sanft ihren Blick auf sich. „Arrow, was du da gesehen hast, war kein Geist, sondern sein Nyridenwesen. Keiner von uns kann sich erklären, woher er plötzlich gekommen ist. Anne nimmt an, dass sein Auftauchen mit der Wilden Jagd im Zusammenhang steht, doch wir wissen nichts Genaues.“
„Warum hast du mir nicht schon früher davon erzählt?“, fragte Arrow aufgelöst.
„Weil ich nicht wusste, ob ich mit meiner Vermutung richtig lag, und ich Angst hatte, falsche Hoffnungen in dir zu wecken.“
Arrow wischte sich die Tränen vom Gesicht, doch es half nichts. Immer wieder kamen neue. Es wollte gar kein Ende nehmen.
„Dann ist es also das, was dich in den letzten Tagen so beschäftigt hat?“, fragte sie in der Annahme, die Antwort zu kennen.
„Nicht unbedingt“, entgegnete Keylam bewegt. „Viel mehr hat es mich beschäftigt, dass es dir egal ist, was du hier zurück lässt, wenn du stirbst. Hast du nie darüber nachgedacht, dass dein Tod auch jemandem das Herz brechen könnte?“
„Das ist etwas Anderes“, schluchzte Arrow. Du hast das Tor geöffnet, dröhnte es in ihrem Kopf.
„Das ist es nicht!“, widersprach Keylam schroff. „Vielen hier würde es ebenso ergehen wie dir jetzt!“
Du hast das Tor geöffnet!
„Nein!“ Arrow schüttelte den Kopf.
Du hast das Tor geöffnet!
„Und warum nicht!?“, fragte Keylam zornig.
Du hast das Tor geöffnet!
„Weil alles meine Schuld ist!“ Bei diesen Worten brachen die Tränen nur so aus ihr heraus. Sie war unfähig, noch weiter zu diskutieren. Am liebsten wäre sie genau dort liegen geblieben, bis die Nacht hereinbrechen und die Dämonen sie holen würden.
Schuldbewusst nahm Keylam sie in seine Arme. Nicht im Geringsten hatte er mit dieser Antwort gerechnet und nun schämte er sich zutiefst, Arrow so zugesetzt zu haben. Sie dachte, dass es ihre Schuld war, und hatte damit die gesamte Last auf ihren Schultern genommen. Dass sie irgendwann darunter zusammenbrechen würde, wäre abzusehen gewesen – wenn es denn jemand bemerkt hätte.
„Es tut mir leid“, flüsterte er ihr immer wieder ins Ohr. „Wir finden ihn – das verspreche ich dir. Dann wird alles wieder gut.“
Arrow verstand diese Reaktion nicht. Gerade eben hatte sie ihm gebeichtet, dass sie das grauenvolle Schicksal von Nebulae Hall und deren Bewohnern heraufbeschworen hatte und ihm tat es leid. Doch obwohl sie der Ansicht war, seinen Trost nicht verdient zu haben, half es ihr. Schon bald hatte sie sich beruhigt. Immer und immer wieder strich Keylam ihr über den Arm und wiederholte seine Worte.
Als es im hohen Gras raschelte, schreckten Keylam und die Pferde auf. Beunruhigt sah er sich nach allen Seiten um. Ähnlich hatte er auch schon während ihrer Wanderung durch das Zwergenreich reagiert, doch hier oben bei diesem herrlichen Wetter und der atemberaubenden
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