Winterwelt (Sommer-Sonderpreis bis zum 06.08.2012!) (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
Doch niemand sagte etwas.
Wütend über sich selbst stürmte sie aus dem Saal und ließ die Tür laut hinter sich zuknallen. Sie hielt inne. Da war es wieder – das schmerzliche Gefühl, das sie nach der Entdeckung von Keylams Verrat verspürt hatte. Sie wollte schreien, weinen und auf Gegenstände zerschlagen, doch so weit konnte Arrow es nicht kommen lassen. Es kam ja gar nicht infrage, dass dieser Wahnsinn erneut Macht über sie gewann.
Gefasst machte sie kehrt. Ruhig öffnete sie die Tür, ruhig betrat sie erneut den Saal und genauso ruhig schloss sie die Tür wieder. Schweigend schauten sie ihre Freunde mit fragenden Blicken an.
„Wisst ihr was?“, sagte Arrow, doch niemand reagierte. „Ich scheiß auf die Prophezeiung und ich scheiß auch auf diesen Winter und diese blöde beschissene Wilde Jagd!“
Unsicher, ob Arrow jetzt wieder dem Wahnsinn verfallen war, wechselten die Freunde zweifelnde Blicke.
In Arrows Augen flammte pure Entschlossenheit. „Ich bin einst als glückliches Kind auf die Welt gekommen! Ich hatte eine glückliche Kindheit und auch danach immer Leute an meiner Seite, die mich liebten! Ich habe Dinge erlebt, die mich glücklich gemacht haben, und Sachen gesehen, von denen die meisten Menschen nicht zu träumen wagen! Das kann und wird mir niemals jemand wegnehmen! Ich werde den Teufel tun und den Rest meines Lebens in Angst und auf der Flucht verbringen! Lieber kämpfe ich für meine Freiheit und die Freiheit dieser Welt, als mich selbst in Ketten zu legen!
In drei Tagen werde ich aufbrechen und meinen Vater suchen. Vor allem aber werde ich ihn finden und nach Hause zurückbringen und nichts auf der Welt kann mich davon abhalten! Wer nicht über den Mut verfügt, mich zu begleiten, hat mein tiefstes Verständnis, doch wer auch immer wie ich fühlen mag, den bitte ich, mir zu folgen, denn letzten Endes steht einfach alles auf dem Spiel!“
Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte Arrow ihnen wieder den Rücken zu und verließ den Saal. Verärgert über diese, ihrer Meinung nach, bescheuerte Ansprache, ließ sie beinahe wieder die Tür knallen. In letzter Sekunde jedoch dämpfte sie den Aufprall und schloss sie leise.
Und ging in das ihr zugewiesene Zimmer.
Als sie die Tür hinter sich schloss, dachte sie darüber nach, was gerade geschehen war. Noch immer empfand sie es als lächerlich, was sie alles gesagt hatte, denn es stand ihr nicht zu, so großartig und mutig daherzureden, wo sie doch bei allem, was sie erreicht hatte, immer auf die Hilfe ihrer Freunde angewiesen gewesen war. Und sie hatten ihr auch immer zur Seite gestanden. Tatsache war allerdings auch, dass Arrow wirklich so empfand, wie sie es ausgedrückt hatte, und nur das allein war wichtig.
Sie wusch ihr Gesicht, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Dann schaute sie in den Spiegel und fragte sich, was eigentlich mit ihr geschehen war.
Die Frau, die sie sah, hatte nichts mehr mit dem kleinen Mädchen aus Elm Tree gemein. Durch eine zweifelhafte Fügung des Schicksals war sie dazu gezwungen worden, einen ganz entscheidenden Teil ihrer Entwicklung zu überspringen. Praktisch war sie über Nacht erwachsen geworden. Das, was sie sah, war noch nicht ganz Frau, aber auch schon lange kein Kind mehr. Das, was andere in ihr sahen, war die lang ersehnte Bewahrheitung einer erfundenen Prophezeiung. Das, was Arrow gerne sein wollte, war das kleine zehnjährige Mädchen mit den großen blau-grauen Augen, das sich über nichts den Kopf zerbrechen musste und dessen Vater ihr zum Einschlafen Gute-Nacht-Geschichten vorlas. Bei dem Gedanken daran, dass ihr damals sogar noch die Entscheidung abgenommen wurde, wann sie was zu essen hatte, während sie jetzt pausenlos selbst wählen musste, wie sie am besten todbringenden Gefahren aus dem Weg gehen konnte, rollte sie mit den Augen.
Doch wo stand sie jetzt? Sie wusste genau, wie es hätte sein müssen, hatte jedoch nicht die geringste Ahnung, wie es tatsächlich war.
Niemand hatte sie je gefragt, ob sie all das hier wollte, und doch blieb ihr keine andere Wahl, als sich in die für sie vorgesehene Rolle zu fügen. Es war schwer und vielleicht sogar unmöglich, aber wen kümmerte das schon?
Stirnrunzelnd blickte Arrow an sich hinab. Endlich fiel ihr das Kleid auf, in welches die Elfen sie gesteckt hatten. Es ließ sie aussehen wie eine Königin.
„Das bin ich nicht“, sagte sie und streifte es sich vom Leib.
In einer Truhe fand sie ihre alten Kleider. Sie wirkten ziemlich abgenutzt
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