Winterwelt (Sommer-Sonderpreis bis zum 06.08.2012!) (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
wohl unter Selbstüberschätzung verbuchen könnte, wenn sie sich nicht weiter darüber wunderte. Als sie bemerkte, dass sie sich – wie immer – zu viele Gedanken um alles machte und davon ganz verwirrt war, beließ sie es dabei und entließ die Adam suchende Lizzy und die freudestrahlende Linda mit einer Umarmung.
Arrow sah Linda nach, und auch als diese längst wieder in ein Gespräch mit Dewayne vertieft war, blieben ihre Blicke an den beiden haften. Es war ungewohnt, sie aus dieser neuen Perspektive zu betrachten, aber Lizzy hatte Recht – sie waren keine Kinder mehr. So sehr man an vielen Dingen auch festhalten mochte, würden sie sich jetzt doch verändern oder hatten es schon getan. Linda hatte sich verliebt und wen immer man auch fragte, bestätigte, dass es DAS Ereignis im Leben eines jeden Menschen sei.
Und Dewayne? Tatsächlich hatte er sich schon längst verändert. Aus dem kleinen Jungen mit den vielen Flausen im Kopf war inzwischen ein junger Mann geworden – jemand, der von allen Seiten jede Aufmerksamkeit wie ein Magnet auf sich zog. Und ja – er war attraktiv. An dieser Tatsache konnte noch nicht einmal sein ungestümes, strohblondes Haar etwas ändern. Die vornehme Haltung hatte er von Melchior geerbt. Seine auffällig schlanke Figur konnte man wohl seiner mäßigen Ernährung zuschreiben. Es betonte seine vorstehenden Wangenknochen. Und mit seinen grün-blauen Augen hatte er bisher jedes Mädchen um den kleinen Finger wickeln können.
Arrow war das alles bisher nie aufgefallen. Doch jetzt, wo sie Linda zuschaute, die Dewayne mit den strahlendsten Augen anschmachtete, wie Arrow es noch nie zuvor bei ihr beobachtet hatte, wurde ihr all das klar. Linda war an diesem Abend ein völlig anderer Mensch und doch sie selbst. Was mit ihr geschah, schien ganz wunderbar zu sein. Genau genommen hatte sie etwas derartiges auch anderswo noch nie beobachtet.
Und während Arrow darüber nachdachte und die Gespräche noch einmal durchging, wurde ihr plötzlich ganz mulmig zumute.
Jedes Mal, wenn es keine Neuigkeiten von ihm gab, war Linda unendlich betrübt, überglücklich, wenn er anwesend, und am Boden zerstört, wenn er zu Besuch war, ohne dass sie davon wusste – das waren Lizzys Worte, mit denen sie nicht nur Lindas Gefühle beschrieb, sondern auch ihre eigenen.
Wie in einem Traum
Als Arrow von ihrem Vater geweckt wurde, hatte sie das Gefühl, sie sei vor einigen Minuten erst eingeschlafen.
„Arrow, komm. Du musst jetzt aufstehen. Es wird Zeit, dass wir aufbrechen.“
Völlig benommen rieb sie sich die Augen. „Ist alles in Ordnung?“, fragte sie schläfrig.
Er nickte: „Es ist alles gut. Aber du musst jetzt aufstehen. Bitte zieh dir den dicksten Mantel und die wärmsten Stiefel an. Wir haben einen weiten Weg vor uns.“
Arrow richtete sich auf und sah sich um.
„Es ist noch dunkel draußen. Welche Zeit haben wir?“
„Die richtige“, antwortete er.
Verwundert stand sie auf und tat, wie ihr Vater es ihr aufgetragen hatte. Als sie fertig war, reichte er ihr eine Laterne und fragte sie, ob sie auch ihr Medaillon dabei habe.
„Selbstverständlich. Ich lege es niemals ab.“
„Gut, dann lass uns gehen.“
„Nur wir beide?“, fragte Arrow verwundert. „Wohin wollen wir denn?“
„Mach dir keine Sorgen, mein Kind. Dort, wo wir hin wollen, warten die anderen bereits auf uns.“
Als sie das Haus verließen, bot die verträumte Landschaft einen atemberaubenden Anblick. Mond und Sterne standen hoch am Himmel und in ihrem Licht glitzerte der Schnee wie tausend Diamanten. In der Luft lag der Geruch von Winter.
Arrow musste gähnen. Wie eine Wolke stieg der warme Atem aus ihrem Mund, und obwohl sie kein kleines Kind mehr war und bereits einige Winter erlebt hatte, fand sie es noch immer faszinierend.
Sie gingen durch das Dorf, in dem nirgendwo das Licht einer Kerze zu sehen war. Alles schien tief und fest zu schlafen.
Noch einmal warf Arrow einen Blick zum Haus zurück, um sich zu vergewissern, dass dort tatsächlich nirgendwo ein Licht brannte. Ihre Familie war immer für allerhand Späße zu haben und sie wartete sehnlichst auf den Moment, in dem alle herauskamen und in Gelächter ausbrachen, doch es blieb ruhig.
Enttäuschung breitete sich in ihr aus. Melchior schien es tatsächlich ernst zu meinen. Und so beschloss sie, sich geschlagen zu geben. Das allerdings währte nur den Bruchteil einer Sekunde, denn was im nächsten Moment geschah, jagte ihr einen eisigen
Weitere Kostenlose Bücher