Winterwelt (Sommer-Sonderpreis bis zum 06.08.2012!) (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
Schauer über den Rücken– viel eisiger noch als die Temperatur um sie herum.
Das prächtige große Gutshaus verwandelte sich vor ihren Augen in eine kleine heruntergekommene Ruine ohne Fenster und mit eingestürzter Treppe.
Melchior warf einen Blick zurück, um nach seiner Tochter zu sehen, die mit offenem Mund in die Richtung starrte, aus der sie gekommen waren.
„Ist alles in Ordnung, Arrow?“
Langsam hob sie den Arm und zeigte starr auf das Haus.
„Hast du etwas gesehen? Gelegentlich treiben sich um diese Zeit Wölfe hier herum.“
Mit einem völlig verständnislosen Blick wandte Arrow ihm den Kopf zu. „Was?!“
„Sorge dich nicht. Sie werden uns nichts tun. Sie streunen nur umher.“
„Dad“, fuhr sie ihn an, „unser Haus!“
„Was ist damit?“, fragte er.
Arrow lachte auf, als würde sie jeden Moment die Nerven verlieren. „Es ist ... weg!“
„Ssscht, nicht so laut. Du darfst niemanden wecken.“
„Ach nein? Ich fürchte, dass sich das nicht vermeiden lassen wird, denn wir sind gerade obdachlos geworden und müssen heute Nacht ja wohl irgendwann irgendwie irgendwo noch schlafen!“
„Sssscht“, versuchte Melchior sie wieder zu beruhigen. Er ging auf sie zu und legte seine Hände sanft auf ihre Schultern. „Arrow, was redest du da? Wir sind nicht obdachlos. Mit dem Haus ist doch alles in Ordnung.“
„Ach ja? Das denke ich aber nicht. Schau es dir doch mal genauer an. Es ist ein Trümmerhaufen. Von einem Moment auf den nächsten – alles zerstört.“
„Aber Kind, hör dir doch selbst mal zu. Wie sollte das denn möglich sein? Es sieht alles noch aus wie vorher und es war auch nichts zu hören. Ein Einsturz wäre mir wohl kaum entgangen. Aus dir spricht die Müdigkeit. Sobald wir unser Ziel erreicht haben, legst du dich erstmal schlafen und danach ist alles besser.“
Völlig fassungslos starrte sie ihren Vater an. Seinen Worten nach schien er zu glauben, sie sei verrückt geworden, was ihr inzwischen nicht einmal mehr so abwegig vorkam, denn er hatte Recht. Kein einziger Ton war zu hören gewesen und außerdem war sie völlig übermüdet. Es lag ja nicht nur daran, dass sie in dieser Nacht noch nicht geschlafen hatte. Die letzten Tage waren sehr anstrengend gewesen, und auch wenn sie in der Nacht zuvor genügend Schlaf bekommen hatte, so fühlte sie sich bei weitem nicht erholt.
Noch einmal warf sie einen Blick auf das Haus. Es würde ihr leichter fallen, den Weg fortzusetzen, wenn sie wüsste, dass sie noch bei Verstand war, doch leider bestätigte sich dies nicht, denn noch immer war der Trümmerhaufen anstelle des Hauses zu sehen. Und wieder wusste sie – Schlaf fehlte, Schlaf musste nachgeholt werden, lieber früher als später und so gab sie sich geschlagen.
Der Schnee knirschte bei jedem ihrer Schritte. Seit Einbruch der Dunkelheit waren die Temperaturen noch weiter gesunken und der Frost hatte sich über das ganze Land ausgebreitet.
Arrow war nicht imstande, auf den Weg zu achten. Die ganze Zeit hatte sie das Bild des verfallenen Hauses vor Augen, das über so viele Jahre immer ihr geliebtes Heim gewesen war. Wie konnte das nur geschehen? Vielleicht hätte sie es nicht einmal bemerkt, wenn es zu dem Zeitpunkt, als sie zurückgesehen hatte, schon so gewesen wäre. Wenigstens hätte sie sich dann einreden können, dass es nicht dasselbe Haus war. Doch alles war vor ihren Augen geschehen von einer Sekunde zur nächsten ohne einstürzendes Dach und ohne klirrende Fenster. Nicht ein einziges Geräusch hatte es gegeben. Schlaf war wichtig.
„Vorsicht!“, rief Melchior, der seine Tochter davor bewahrte, gegen einen Baum zu laufen.
Erschrocken sah Arrow sich um. Überall Bäume, Schnee und Dunkelheit.
„Wo sind wir?“
„Na im Wald.“
„Im Wald?“, fragte sie aufgelöst. „In DEM Wald? Mitten in der Nacht?“
Melchior zuckte mit den Schultern. „Ja.“
Arrow verschränkte die Arme. Sie schien förmlich zu beben vor Zorn. „Sag mal, habe ich irgendwo irgendwann irgendetwas nicht mitbekommen?“, fragte sie geradezu hysterisch.
„Kind, beruhige dich“, redete Melchior auf sie ein, doch es bewirkte das Gegenteil.
„Beruhigen?! Beruhigen soll ich mich?! Soll das ein Scherz sein? Ich werde mich erst wieder beruhigen, wenn ich in meinem mollig warmen Bett in unserem wunderschönen Haus aufwache, nicht mehr friere und vor allem nicht in der Dunkelheit durch DEN Wald spaziere!“
„Aber vertrau mir doch. Es ist nicht mehr sehr weit und dann wirst du
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