Winterwelt (Sommer-Sonderpreis bis zum 06.08.2012!) (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
hypnotisiert. Es war, als schien die Zeit stehen zu bleiben – der Moment, bevor das Universum die Dinge ihrem rechtmäßigen Platz zuordnete.
Dies war der kraftvollste Moment, den Arrow je erlebt hatte. Sie hörte das Gras schlafen und sie hörte, wie sich die Schneeflocken in den aufziehenden Wolken bildeten. Jedes Kind hörte sie lachen, jeden Menschen weinen und die Herzschläge aller Lebewesen. Sie fühlte den Schmerz und das Glück dieser und jener Welt und die Erde erzählte ihr ihre Geschichte. Sie sagte ihr, wohin sie wirklich gehörte, und dass dieses strahlende, reine Licht ein Teil von ihr war – etwas, ohne das sie nicht sein konnte.
Langsam schrumpfte das Leuchten wieder auf die Kraft einer Kerzenflamme zusammen, bevor es sich von ihr abwandte und durch das Hügeltor verschwand.
Inzwischen schneite es wieder und die Flocken sammelten sich in Arrows Haar. Es schien kälter geworden zu sein, doch sie fror nicht mehr. Ihr war angenehm warm, doch sie wusste, dass sich das schnell ändern würde, sollte sie noch länger hier verharren.
Mit ausgestrecktem Arm stand Melchior auf der anderen Seite des Tors.
Arrow ließ ihr Medaillon in der Tasche ihres Mantels verschwinden.
Unschlüssig, ob sie die Hand ihres Vaters ergreifen sollte, warf sie einen Blick zurück über ihre Schulter.
„Den ganzen Abend dachte ich, dass nichts Schlimmeres mehr geschehen könnte, und doch habe ich mich jedes Mal geirrt. Was erwartet mich dort auf der anderen Seite?“
Zuversichtlich lächelte Melchior seine Tochter an, bevor er antwortete: „Das Glück. Du musst nur tapfer genug sein, um es zuzulassen.“
Orbis Alia – Die andere Seite
Durch den Eingang zu schreiten, fühlte sich an, als tauchte man in Wasser ein. Aber es war nicht kühl oder unangenehm, sondern mehr wie ein lang ersehntes heißes Bad an einem kalten Winterabend, das einem Geborgenheit spendet.
Arrow sah sich um, doch sie erkannte kaum etwas. Der Nebel verwehrte ihr beinah jede Sicht, doch die Luft war herrlich warm und schmeckte süß wie Honig.
„Jetzt kannst du deinen Mantel ablegen. Hier wirst du ihn nicht mehr brauchen“, riet Melchior, der bereits dabei war, seinen eigenen zu öffnen.
„Hier ablegen?“, fragte sie verwundert.
Melchior nickte. „Wir haben noch ein kleines Stück vor uns und du musst ihn nicht tragen. Es wäre vergebens. Die warmen Schuhe wirst du übrigens auch nicht mehr brauchen.“
„Welche soll ich dann anziehen? Du hast nicht gesagt, dass ich andere Schuhe mitnehmen soll.“
„Hier wirst du überhaupt keine Schuhe mehr benötigen.“
Empört stemmte Arrow die Hände in die Hüften. „Und wie soll ich das bitteschön Anne erklären? Sie hat die letzten fünf Sommer gebraucht, mich dazu zu bringen, im Freien nicht barfuß herumzulaufen.“
„Das war etwas anderes. Hier ist das in Ordnung.“
Ihre Augen leuchteten, und während sie den Mantel fein säuberlich über irgendetwas, das der Nebel verhüllte, ablegte, flogen die Schuhe unkoordiniert im hohen Bogen durch die Gegend. Unter ihren Füßen fühlte Arrow glatte, warme Steinplatten. Es war das angenehmste Gefühl seit Tagen.
Lächelnd reichte Melchior seiner Tochter die Hand. „In diesem Nebel sind schon viele Dinge verloren gegangen. Einige davon suchen wir seit mehreren hundert Jahren.“
Während ihr Vater zielgerichtet voran ging, umklammerte Arrow seinen Arm ganz fest. Dies war ein ungünstiger Zeitpunkt, um verloren zu gehen.
Ihr Weg führte sie zu einer wuchtigen steinernen Treppe mit einem ebenso wuchtigen Steingeländer.
Während Arrow gespannt versuchte, etwas von der Umgebung zu erkennen, gingen sie unzählige Stufen hinab. Erst bemerkte sie es gar nicht, aber der Nebel klärte sich mit jedem Schritt mehr auf. Zwischen den dicken Schwaden wurden Umrisse von Bäumen erkennbar und die Luft war gefüllt mit dem süßen Duft von Sommer. Jeder Atemzug schmeckte nach Äpfeln, Orangen und Raps, gemischt mit einer Priese von Moos und Pilzen.
Arrows Füße sanken in weiches Gras. Obwohl es vom Morgentau noch ganz feucht war, fühlte es sich angenehm warm an. In der Hoffnung, erkennen zu können, von wo sie gekommen waren, schaute sie zurück, doch die große Steintreppe verschwand in einer dichten Wolke, die keinerlei Einblicke preisgab.
Ihr Weg führte über eine Wiese, die völlig mit bunten Blumen bewachsen war. Vögel zwitscherten aus allen Ecken und Wasser plätscherte in der Nähe. Von der natürlichen Schönheit der
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