Winterwelt (Sommer-Sonderpreis bis zum 06.08.2012!) (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
Ganges wohnte ihr Vater. Wie es jedoch schien, hatte dieser Korridor mehr als ein Ende. Verärgert über diese doch sehr dürftige Information über seinen Aufenthaltsort stemmte sie ihre Hände in die Hüften. Als ihr dann jedoch auffiel, dass ihr unzählige steinerne Augenpaare durch die Ranken entgegenblinzelten, lief sie vor Schreck einfach los.
Schon bald bemerkte Arrow, dass sie sich verlaufen hatte, und blieb stehen. Als sie sich umsah, erblickte sie erneut ihr Spiegelbild und betrachtete ihre verschlafenen Augen.
Glücklicherweise befand sich direkt unter dem Spiegel ein Becken. Das war gut, etwas Wasser ins Gesicht würde ihr sicher helfen, frischer auszusehen. Nachdem sie ihre Hände mehrere Male eingetaucht und die kühlen Tropfen in Gesicht und Dekolleté verteilt hatte, fühlte sie sich gleich besser. Sie sah auch gleich sehr viel erholter aus, doch die Tatsache, dass sie – so jedenfalls zeigte es ihr das Spiegelbild – einen Goldfisch auf der Stirn hatte, war höchst ungewöhnlich.
Im selben Moment zuckten Arrow und der Fisch zurück und plötzlich schwebte er über ihr. Arrow sah sich um, doch außerhalb des Spiegels war der kleine Fisch nirgends zu sehen.
„Ich frage mich ...“, flüsterte sie forschenden Blickes und tippte mit dem Finger vorsichtig gegen den Spiegel. Als die Oberfläche daraufhin winzige Wellen schlug, musste Arrow kichern und versuchte es gleich noch einmal. Der Fisch kam näher und stupste mit seinem Maul gegen Arrows Fingerspitze. Dieses Gefühl war so merkwürdig, dass sie erneut kichern musste. Völlig unerwartet sprang der Fisch aus dem Spiegel und plumpste in das darunter liegende Becken, wo er flink davon schwamm. Obwohl das Volumen des Beckens nicht größer zu sein schien als das eines Wassereimers, war er plötzlich nirgendwo mehr zu sehen.
Neugierig steckte Arrow ihre Hand in das kühle Wasser. Den Boden klar und deutlich vor Augen, war sie entschlossen, ihn zu berühren, doch er war nicht greifbar. Ungläubig kniete sie sich auf den steinernen Fußboden, doch obwohl ihr Arm bereits bis zur Schulter im Wasser versunken war, fühlte sie noch immer keinen Grund.
Grübelnd zog Arrow ihren Arm wieder heraus und erhob sich. Prüfend betrachtete sie ihr Spiegelbild und plötzlich nahm sie breit grinsend einen tiefen Atemzug und steckte ihr Gesicht bis zu den Ohren in den Spiegel, der von innen vollkommen anders aussah.
Überall schwammen Fische und Pflanzen wogen sich in der sanften Strömung. Der Spiegel war ein See mit vielen Fenstern, die in jeder Höhe schwammen – offenbar Spiegel in anderen Bereichen des Schlosses.
Als Arrow einen Blick nach unten warf, schnappte sie erschrocken nach Luft, denn auf dem Grund des Sees saßen Nixen und Meerjungfrauen, die sie verwundert beäugten.
Eilig zog sie sich aus dem Spiegel heraus, stolperte und hustete lautstark das verschluckte Wasser wieder aus.
Gerade als sie sich wieder einigermaßen erholt hatte, blies ihr ein kleiner, aber starker und angenehm warmer Wind ins Gesicht. Mit Händen und Füßen versuchte sie ihn abzuwehren, doch er verfolgte sie und ließ erst nach, als sie vollständig getrocknet war.
Als Arrow ihre Augen öffnete, blickte sie auf eine Wolke, die direkt vor ihrem Gesicht schwebte und kaum größer war als ihr Kopf. Als sie noch ein kleines Mädchen war, hatte man ihr erzählte, dass Engel in den Wolken lebten, und so hegte sie schon seit langem den Wunsch, zu erfahren, wie sich dieser wattige Himmelskörper anfühlte. Vorsichtig glitt sie mit der Hand hindurch. Zu ihrer Enttäuschung gab es da nichts, das man anfassen konnte. Wenn doch nun aber Engel IN der Wolke lebten, mussten sie doch wenigstens ein Sofa zum Ausruhen haben ...
Arrow ließ ihre Hand noch einige Male durch die Wolke gleiten. Dabei wurde sie immer schneller, so dass ein Beobachter hätte meinen können, sie würde das arme Ding ohrfeigen.
Als Arrow endlich die Gewissheit hatte, dass absolut gar nichts in einer Wolke wohnen konnte, gab sie auf. Doch bevor sie die Chance hatte, sich endgültig etwas anderem zuzuwenden, vernahm sie ein dumpfes Geräusch, das wie ein Husten klang, und gleich darauf war ihr Gesicht wieder nass. Sichtlich beleidigt kehrte die Wolke ihr den Rücken zu und ließ sich über dem Becken nieder. Dunst stieg darin auf und die Wolke wuchs auf das Dreifache ihrer vorherigen Größe.
Als der Dunst sich legte, schwebte sie weiter zu den Blumen, die überall blühten, und flog mit einem schwachen Regen
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