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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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Angains Jagdhund bellte wütend.
    Ein Dutzend Sehnen schwirrte. Ihre Bolzen bildeten eine stachlige Blume in der Brust des Bären. Er schwankte, fiel auf die Vordertatzen, torkelte noch ein paar Schritte und brach dann zusammen. Seine mächtige Flanke zitterte. Sie vernahmen seine röchelnden Atemzüge. Einer der Leibwächter zog sein Schwert und bahnte sich einen Weg nach unten, um ihm den Todesstoß zu versetzen.
    »Ein herrliches Tier, findet Ihr nicht?« Ragnor sah den Führer der Barden-Inkall an. »So furchtlos im Angesicht des Todes, wie man es jedem wahren Gläubigen nur wünschen kann.«
    »Furchtlos oder dumm«, entgegnete Theor geistesabwesend. Er hielt den Blick unverwandt auf den Bären gerichtet, selbst dann noch, als der Krieger dem Tier das Schwert in den Nacken stieß. Seine Stirn war gerunzelt.
    »Ein Glück, dass Ihr nicht viel auf die alten Tarbain-Zeichen gebt«, sagte Ragnor. »Für die Abergläubischen könnte dieser Zwischenfall ein böses Omen sein, das den Tod eines mächtigen Herrschers, das Heraufziehen einer neuen Zeit oder sonst einen Unsinn ankündigt.« Er lachte leise vor sich hin. Dann wandte er sich um und strebte Burg Hakkan entgegen.
    Der Führer der Barden-Inkall folgte ihm nicht sofort. Er sah zu, wie Ragnors Gefolgsmann seine blutige Klinge am dichten Fell des toten Bären abwischte. Als er schließlich in die Fußspur des Hoch-Thans trat, hatte er eine nachdenkliche Miene aufgesetzt. Er zog die graue Kapuze tief in die Stirn, um sein Gesicht vor Kälte und Wind zu schützen. Der Schnee fiel immer dichter.

    Eine schwarze Linie tauchte aus dem Sprühregen auf. Mehr als dreitausend Mann, schätzte Kanin, als die Truppen seinem Heer gegenüberstanden. Etliche der Leute waren wohl einfache Bauern, Fischer und Handwerker, die aus den Dörfern im Süden der Lannis-Haig-Ländereien stammten. Viele jedoch schienen geübte Kämpfer zu sein. Der Abstand zwischen den beiden Linien war gering, und trotz der bleischweren Luft hörte er die Kommandos, die durch die feindlichen Reihen gerufen wurden, das Schnauben und Stampfen der Pferde, das Klirren und Knirschen ihrer Geschirre. Er sah die schlaff herabhängenden Banner, konnte aber nur einige davon erkennen. Ganz im Zentrum und dicht umringt von einer Reiterschar entdeckte er einen Krieger mit den Insignien von Kilkry-Haig. Kanin schniefte und schüttelte sich die Regentropfen aus dem Haar. Er suchte Wains Blick. Sie saß aufrecht im Sattel, umgeben von ihrer Schildwache, die aus einem halben Dutzend Kriegern bestand.
    »Mir scheint, wir bekommen Gelegenheit, uns einen Namen zu machen«, sagte Kanin. »Der Mann dort drüben ist der Kilkry-Titelerbe, oder?«
    Seine Schwester lachte. »Dann wäre ein Sieg umso wertvoller für uns.«
    »Noch können wir hoffen«, murmelte Kanin. »Vielleicht meint es das Schicksal gut mit uns.«
    Das Warten war eine Qual. Der Regen ließ nach, aber ihre Kleidung war durchnässt und klebte ihnen am Körper. Kanin saß im Sattel und spürte, wie sich seine Muskeln verkrampften. Die Tarbain vor ihm wurden allmählich unruhig. Sie bewegten sich hierhin und dorthin, murrten und schrien sich in ihrem barbarischen Dialekt Befehle zu. Kanin ritt die Linie entlang und brachte sie mit zornigen Blicken zum Schweigen. Die Horin-Gyre-Krieger in den Reihen der Angreifer verhielten sich ruhig. Sie starrten geradeaus und murmelten vor sich hin. Auch Kanins Lippen bewegten sich mechanisch. Die Worte, die er vor sich hin flüsterte, kamen beinahe unbewusst: »Meine Füße wandeln auf dem Pfad. Ich gehe ohne Furcht, und ich gehe in Demut.« Immer und immer wieder. Der Verhüllte Gott vernähme seine Anrufung mit Wohlgefallen, wenn er sie mit dem rechten Glauben sprach. Und wenn dieser Glaube im Augenblick des Todes noch in seinem Herzen wäre, würde Er den Gefallenen gnädig bei sich aufnehmen bis zur Erneuerung der Welt.
    Endlich, nach gut einer Stunde, entstand Bewegung. Reiter preschten aus dem Hintergrund heran und sammelten sich an der linken Flanke des feindlichen Heers. Der Strom schwoll immer mehr an und wollte kein Ende nehmen – hundert, zweihundert und mehr. Gleichzeitig verteilte sich eine Kette von Bogenschützen vor dem Heer. Die Männer rückten vor, bis sie fast auf eine Schusslänge herangekommen waren, und ließen sich dann auf ein Knie nieder. Kanin spürte, wie sich die Spannung in ihm aufbaute und sein Puls raste. Die Entscheidung stand unmittelbar bevor. Was immer geschah, es war besser als das

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