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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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praktisch über dich stolperte.«
    »Nun, ich bin nicht gerade unglücklich darüber, Yvane.«
    Einen Moment lang schwebte ein dünnes Lachen durch die Zelle. Dann entstand eine Pause. »Das klingt ja liebenswürdiger, als ich es erwartet hatte.«
    Inurian winkte verärgert ab, obwohl er wusste, dass seine Besucherin ihn nicht sehen konnte – zumindest nicht in der üblichen Weise.
    »Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um alte Meinungsverschiedenheiten wiederaufleben zu lassen«, sagte er. »Du kamst und wolltest nachschauen, weil du spürtest, dass jemand in die Gemeinschaft des Geistes eingedrungen war.«
    »Ich weiß, dass du nicht die Quelle sein kannst. Oder hast du dich seit unserer letzten Begegnung stark verändert?« Die Frage enthielt mehr als nur eine Spur von Feindseligkeit.
    »Yvane, Yvane, bitte! Ich will nicht mit dir streiten.«
    Die Antwort, die sie nach einem kurzen Schweigen gab, fiel schroff aus. »Also schön.«
    »Es ist noch einer von uns hier. Ihn hast du gespürt. Er heißt Aeglyss. Ein junger Mann mit stark ausgeprägten, aber völlig ungebändigten Kräften. Vielleicht der Erste seit vielen Jahren, der die Größe von einst erreichen könnte.«
    »Tatsächlich?« Die Zweifel in ihrer Stimme waren nicht zu überhören.
    »Ja«, beharrte Inurian. »Wir hatten einen Wortwechsel. Sein Zorn stört die Gemeinschaft des Geistes. Er ist so erfüllt von Hass und Rachlust, dass alle anderen Gefühle davon verdrängt werden. Du kennst meine Gaben. Ich spreche die Wahrheit.«
    »Was sucht er in Kolglas?«
    »Ich befinde mich nicht in Kolglas, sondern in Anduran«, erklärte Inurian mit müder Stimme. »Als Gefangener des Schwarzen Pfads.«
    »Des Schwarzen Pfads? Ist Anduran gefallen?«
    »Fast. Es wird belagert.«
    »Oh! Das hört nie auf, nicht wahr? Deine hochverehrten Huanin leben nur für jenen Tag, da sie die Möglichkeit erhalten, sich im Blut ihrer Artgenossen zu suhlen. Wie kommt es, dass du mitten in diesem Gemetzel steckst? Und was ist mit dem jämmerlichen alten Häuptling, der dir ein Dach über dem Kopf gab?«
    »Ach, Yvane«, seufzte Inurian. »Lass das endlich!«
    »Du befindest dich tatsächlich in der Hand des Schwarzen Pfads?«
    »Ja, Yvane. Und wenn ich diese Geschichte nicht überlebe, sollte Highfast von Aeglyss erfahren. Vielleicht sogar Dyrkyrnon. Dort scheint er eine Zeit lang gelebt haben. Er behauptete, sie hätten ihn verstoßen. Wenn er auf dem eingeschlagenen Weg bleibt, könnte es notwendig werden, dass ihn Highfast oder Dyrkyrnon in seine Schranken weisen.«
    Es dauerte eine Weile, bis die Antwort kam. »Sie lechzen nach Krieg. Gyre, Haig, Lannis und wie sie alle heißen. Schon in der Wiege sinnen sie auf Rache für irgendeine Schandtat, die in ferner Vergangenheit verübt wurde. Der Vater tötet den Vater, also muss der Sohn den Sohn töten. Dieses Morden nimmt kein Ende. Überlass sie doch einfach sich selbst! Niemand wird es einem Na’kyrim danken, wenn er in ihre grausamen Spiele eingreift.«
    »Aeglyss hat bereits eingegriffen«, sagte Inurian und starrte zu Boden. »Noch glauben die Gyre-Geschlechter, er sei ihre Marionette, aber ich bezweifle, dass sie verstehen, mit wem sie es zu tun haben.«
    Als Yvane nichts darauf erwiderte, schaute Inurian auf. Erst dachte er, sie habe ihn verlassen. Aber ihr Umriss war noch da, eine wolkige Form, die fahl von innen heraus schimmerte.
    »Ich würde es … bedauern, wenn dir diese Angelegenheit den Tod brächte«, sagte sie ruhig.
    »Ich auch.«
    »Vielleicht sollte ich mich selbst darum kümmern.« Die fahle Gestalt zerfloss langsam.
    »Nein!«, stieß Inurian hervor und streckte einen Arm nach ihr aus. »Du wirst ihn nur warnen. Er ist gefährlich, Yvane!«
    Aber sie hatte sich verflüchtigt, und er war wieder allein.
    Lange Zeit saß er da wie erstarrt. Dann löste er ein Schuhband und zog es aus den Ösen. Mit geschlossenen Augen knüpfte er Knoten daraus, einen festen kleinen Knoten nach dem anderen. Die Fingerspitzen tasteten darüber und erspürten die Formen. Draußen wurde es hell.

    Das Haus Horin-Gyre hielt Kriegsrat in der Großen Halle, die Croesan oc Lannis-Haig für das Winterfest hatte schmücken lassen. Der hohe Saal bot ein Bild der Verwüstung. Tische und Stühle waren umgekippt, die Dekorationen heruntergerissen. Um einen einzelnen großen Tisch in der Mitte des Raums hatte sich ein gutes Dutzend Leute versammelt.
    Kanin nan Horin-Gyre hatte in dem breiten geschnitzten Sessel von Croesan Platz

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