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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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darauf, verdrängte die Schwärze, die sich mit Gewalt Einlass schaffen wollte.
    Aeglyss lachte bitter. »Ihr habt Angst. Alle haben Angst vor mir. So war es immer. Die Schleiereulen wollten mich töten; aus Dyrkyrnon wurde ich vertrieben. Selbst diese Hunde vom Schwarzen Pfad wollen mich nicht in ihren Reihen aufnehmen, obwohl ich ihnen zu Ruhm verholfen habe. Was immer ich für sie tue, sie werden mir nach dem Leben trachten. Ich weiß es.«
    Wissen war nicht dasselbe wie etwas tief im Herzen glauben, dachte Inurian. Was immer Aeglyss sagen mochte, die Sehnsucht, das Bedürfnis nach Anerkennung, brannte so übermächtig in ihm, dass es durchsickerte und seine Worte noch während des Sprechens in Lügen verwandelte. Er lechzte immer noch nach dem Lob der Horin-Gyre-Anführer. Inurian las in ihm wie in einem offenen Buch das schmerzliche Verlangen, irgendwohin zu gehören, in irgendeiner Gemeinschaft angenommen zu werden.
    »Die Angst setzt ihnen allen zu«, fuhr Aeglyss fort. »Dabei wissen sie nicht einmal, wovor sie Angst haben. Aber ich lasse mich nicht mehr beiseiteschieben. Ich werde mich zur Wehr setzen. Ihr, ausgerechnet Ihr, dürft Euch nicht von mir abwenden.« Er schwankte, und zitternd verschränkte er die Arme vor der Brust. »Wer war der Größte unter uns? Dorthyn, der die Whreinin aus dem Süden vertrieb? Minon der Folterer? Orlane Königbinder?«
    »Alle waren auf ihre Weise mächtig, auch wenn ihre Macht der Welt wenig Glück brachte«, murmelte Inurian. »Aber Ihr überschätzt Eure Kräfte, wenn Ihr Euch mit ihnen vergleicht.«
    »Ihr könntet mich lehren, wie sie zu sein«, sagte Aeglyss, mehr zu sich selbst als zu seinem Gegenüber. »Einen König zu binden …« Ein Schauer durchlief ihn. »So … so kann es nicht weitergehen. Ich bin drauf und dran, den Verstand zu verlieren. Oder mich in den Tod zu stürzen. Warum helft Ihr mir nicht, Inurian?«
    Als Inurian nicht antwortete, wandte sich Aeglyss zum Gehen. Der Gefangene stützte sich mühsam auf einen Arm.
    »Ich würde Euch helfen, wenn ich könnte, Aeglyss«, wisperte er.
    Aeglyss blieb stehen, den Kopf gesenkt, die Finger in die Schultern verkrallt.
    »Nicht nur Euch zuliebe«, fuhr Inurian fort, »sondern auch aus Angst davor, was Ihr anrichten könntet. Aber es ist zu spät. Euer Herz, Eure Ziele – haben bereits zu großen Schaden genommen. Ich habe wenig Liebe in meinem Leben gekannt, Aeglyss. Alle Na’kyrim erfahren, was es heißt, gefürchtet und abgewiesen zu werden. Ich bedaure, dass Euch so viel Leid widerfahren ist, aber der Schmerz, den Ihr durchgemacht habt, hätte Euch nicht unbedingt in die Lage bringen müssen, in der Ihr Euch nun befindet.«
    »Dann zeigt mir einen Weg!«, bat Aeglyss eindringlich. »Lehnt meine Bitte nicht ab! Ihr seid der Einzige, von dem ich Verständnis erwarten kann. Ich gebe Euch, was immer Ihr fordert.«
    »Ist das wirklich alles, was Ihr in der Gemeinschaft des Geistes seht? Macht? Eine Möglichkeit, anderen Euren Willen aufzuzwingen?«
    »Ihr tut so, als sei Macht das Böse schlechthin. Ich sehe im Zugang zum Gemeinsamen Ort eine Stärke, die mir verliehen wurde und anderen nicht. Nur ein Narr würde sich weigern, eine solche Gunst anzunehmen. Was sollte ich Eurer Ansicht noch darin sehen?«
    »Dass alles eins ist. Wenn Ihr die Gemeinschaft des Geistes dazu benutzt, anderen zu schaden, schadet Ihr Euch selbst.«
    »Alles ist eins! Alles ist eins! Nein. Das glaube ich nicht. Alles ist Hass, Angst, Schmerz. Wenn andere darauf aus sind, mir wehzutun – was sie tun werden, was sie bereits getan haben –, soll ich dann etwa stillhalten und mich weder schützen noch wehren?«
    »Tut mir leid, Ihr begreift nicht, was ich Euch klarzumachen versuche. Deshalb kann ich Eure Wunden nicht heilen. Ihr würdet meine Lehren und Erkenntnisse niemals richtig anwenden.«
    Inurian streckte sich auf dem Boden aus und schloss die Augen. Er spürte, dass Aeglyss noch eine ganze Weile stehen blieb, spürte das Gewicht seiner Anwesenheit.
    »Ich warte, ob Ihr Euch noch anders besinnt, Inurian«, sagte Aeglyss schließlich leise. »Aber nicht mehr lange. Nicht mehr lange.«
    Damit ging er.
    Inurian konnte nicht wieder einschlafen. Er lag da und starrte die Zellenwand an. Aus irgendeinem Grund kreisten seine Gedanken vor allem um die Namen, die Aeglyss erwähnt hatte: Dorthyn, Minon und Orlane Königbinder, der Schlimmste von allen. Mächtig waren sie zu ihrer Zeit gewesen, wahre Gestalter, die den Lauf der Welt nach

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