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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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genommen. Sein Schwert lag vor ihm auf dem Tisch. Wain saß zu seiner Linken, Igris zu seiner Rechten. Dann waren da noch Shraeve in einem Kürass aus gehärtetem schwarzem Leder, der an den Panzer eines Käfers erinnerte, und sämtliche Hauptleute aus dem Heer des Titelerben. Ganz am Ende des Tischs hatte sich ein einzelner Tarbain-Führer niedergelassen, alt und hager, die Jacke mit mottenzerfressenen Bärenfellstücken besetzt. Er sah aus, als könnte er jeden Augenblick einschlafen. Der Na’kyrim Aeglyss hatte seinen Stuhl ein Stück zurückgeschoben. Er war nur gekommen, weil die Schwester des Titelerben es so wünschte, und Kanin duldete ihn nicht am Beratungstisch.
    »Wir müssen den Versuch wagen«, erklärte Wain gerade. In ihren Augen blitzte wilde Entschlossenheit. »Wir haben keine Zeit, hier herumzusitzen und abzuwarten, bis uns die Burg in den Schoß fällt. Uns bleibt keine andere Wahl, als sie zu erstürmen.«
    Niemand schien geneigt, ihr zu widersprechen, obwohl Kanin wusste, dass nicht alle ihre Ansicht teilten. Er selbst hegte durchaus Zweifel am Erfolg ihres Vorhabens.
    »Gibt es Neuigkeiten von den Kundschaftern?«, fragte er.
    Einer der Krieger schüttelte den Kopf. »Banden von Bauern und Dörflern durchstreifen die Gegend jenseits von Grive und dem Deich, aber noch ist keine Spur von einem Heer zu sehen. Sie werden noch eine Weile brauchen, um sich die Wunden zu lecken, die wir ihnen in Grive zugefügt haben.«
    »Und was geschieht, wenn erneut einige tausend Kilkry-Reiter auftauchen?«, warf Wain missmutig ein. »Die können wir nicht mit Tarbain und Waldelfen besiegen.«
    Sie warf dem Tarbain-Häuptling am Ende des langen Tischs einen wütenden Blick zu. Er bedachte sie mit einem breiten Grinsen, das zahlreiche Zahnlücken entblößte, und schwieg.
    »Wir wissen bis jetzt nicht, wann für uns Hilfe aus dem Norden eintrifft«, gab Kanin zu bedenken. »Es kann noch Tage, ja Wochen dauern, bis Tanwrye endgültig erobert ist. Die Stadt lässt sich nicht im Sturm nehmen, es sei denn, Ragnor oc Gyre ändert seine Meinung und schickt seine gesamte Streitmacht los, um die Entscheidung zu erzwingen. Die Belagerer können bestenfalls einige hundert Speerkämpfer entbehren, aber mehr nicht – wenigstens nicht zum jetzigen Zeitpunkt.«
    Er wandte sich einem schlanken kleinen Mann zu, der neben Shraeve saß.
    »Cannek, was wisst Ihr über die Mannstärke in der Burg?«
    Der Mann schaute auf. Er trug unauffällige Kleidung aus weichem Leder; sein Gesicht war unscheinbar und ohne besondere Merkmale. Leute, die ihm auf der Straße begegneten, bemerkten ihn vermutlich kaum, außer sie warfen einen Blick auf die langen, in Scheiden steckenden Messer, die er mit Riemen an den Unterarmen befestigt hatte. Er führte das Dutzend Jäger-Inkallim an, das die Truppen begleitet hatte. Die Jäger hatten ihre eigenen Methoden, Auskünfte einzuholen, und obwohl Kanin gar nicht wissen wollte, worin sie bestanden, nutzte er die Erkenntnisse nur zu gern für sich.
    »Nun, wir können natürlich nichts Genaues sagen«, erklärte Cannek mit einem schwachen, entwaffnenden Lächeln. »Wir haben viele Bewohner der Stadt ausgehorcht, aber ihre Antworten geben nicht allzu viel her. Das einfache Volk achtet selten auf so wichtige Dinge wie Lebensmittelvorräte oder die Stärke einer Garnison.«
    Kanin nickte, um Geduld bemüht. Die Jäger-Inkall bildete die unbedeutendste der drei Gruppen, aus denen die Kinder der Hundert bestanden – sowohl die Barden- wie die Krieger-Inkall besaß mehr Mitglieder und mehr Gewicht –, doch über sie waren die wildesten Geschichten im Umlauf. Was immer Cannek sagen mochte, er verließe sich nicht allein auf die Gerüchte, die man bei den Verhören Gefangener sammelte. Die Jagd hatte Dutzende, wenn nicht Hunderte gewöhnlicher Leute in ihrem Sold, die sie aus sämtlichen Geschlechtern des Schwarzen Pfads und, wie es hieß, sogar aus den sogenannten Wahren Geschlechtern rekrutierte. Wenn jemand in dieser Runde wusste, was sich hinter den dicken Mauern von Burg Anduran abspielte, dann war es Cannek.
    Der Inkallim schnippte sich ein loses Haar vom Handrücken.
    »Allerdings können wir mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass ihre Nahrung allmählich knapp wird«, sagte er. »Bei der Zahl der Verteidiger sind wir auf Vermutungen angewiesen. Wenige Krieger, wenn uns nicht alles täuscht. Aber wie viele Leute strömten noch durch das Tor, ehe es endgültig geschlossen wurde? Das lässt sich

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