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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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Ihr, was das heißt, wenn jemand aus der Sippe mitten im Winter das Vo’an verlässt und allein in die Kälte hinausläuft?«
    Unvermittelt stieß er ein raues Lachen aus. Sein gesenkter Kopf fuhr hoch und krachte gegen die harte Wand. »Natürlich wisst Ihr, was das heißt. Ihr wisst genau, wovon ich spreche, nicht wahr? Jedenfalls war es ein harter Winter, alles andere als dazu geeignet, allein durch die Tiefen von Anlane zu streifen. Aber irgendwie brachte sie mich durch. Sie war eine starke Frau. Und sie war schön. Schöner als jede Kyrinin, die Euch je vor Augen kam.
    Ich erinnere mich, dass wir durch Schneewehen stapften, die mir bis zum Bauch reichten. Wenn sie sich noch höher auftürmten, musste sie mich manchmal auf dem Rücken tragen. Ich erinnere mich, dass wir oft tagelang in einem Versteck ausharrten. Wir ließen das Land der Schleiereulen und dann das Gebiet der Schlangen hinter uns, und immer mussten wir uns verbergen. Könnt Ihr Euch das vorstellen? Ich spüre heute noch manchmal die Kälte, selbst dann, wenn ich an einem Feuer sitze. Mir will einfach nicht warm werden. Es war eine lange Zeit, immer auf der Flucht, immer am Verhungern, immer allein.«
    Inurian sah, dass Aeglyss’ Hände zuckten.
    »Eines Tages kam ein Sturm auf, schlimmer als alles, was wir bis dahin erlebt hatten«, fuhr Aeglyss fort. »Am Morgen blieb sie einfach liegen, mit geschlossenen Augen. Sie wollte nicht aufwachen, sosehr ich sie auch schüttelte. Ich legte mich neben sie und schmiegte mich in ihre Arme. Ich wusste … ich spürte … dass ich sie am Leben erhalten konnte, wenn ich nur einen Weg fände, die Gemeinschaft des Geists zu nutzen. Es war, als schimmre ein Licht knapp jenseits meiner Reichweite, und jedes Mal, wenn ich danach greifen wollte, erlosch es. Ich erkannte, dass vom Gemeinsamen Ort Wärme ausstrahlte, aber ich hatte keine Ahnung, wie ich an diese Wärme gelangen sollte. Niemand hatte es mir beigebracht. Also starb sie, und ich wartete auf das Ende.
    Stattdessen kamen die … anderen. Sie war weit genug geflohen. Sie hatte lange genug durchgehalten. Sie fanden mich neben ihr und brachten mich in die Marschen.«
    Wieder unterbrach sich Aeglyss. Zum ersten Mal schaute er zu Inurian auf. Das Mondlicht war so schwach, dass Inurian die Züge seines Gegenübers nur undeutlich erkennen konnte. Aber angesichts des gequälten Ausdrucks auf dem bleichen Gesicht des jungen Na’kyrim fröstelte ihn.
    »Dort hörte ich zum ersten Mal Euren Namen«, sagte Aeglyss. »Diese Narren, die in ihren Zelten und Hütten herumsaßen, erzählten, dass Ihr mehr über den Gemeinsamen Ort wüsstet als die meisten anderen, obwohl die Gabe selbst in Euch nicht sonderlich stark ausgeprägt sei. Damals achtete ich nicht weiter darauf. Erst all die Jahre danach, als ich mich in Hakkan wiederfand und meine Hilfe gegen Kolglas anbot, kam mir Euer Name wieder in den Sinn. Ha! Fast könnte ich versucht sein, an die Vorsehung des Schwarzen Pfads zu glauben.
    Und da sind wir nun. Ihr und ich, das Wissen und die Macht. Die beiden Hälften, die zusammen etwas ganz Neues ergeben könnten. Die zu etwas Großem ausersehen sind. Ihr müsst mein Führer durch die Tiefen des Gemeinsamen Ortes sein. Ich spüre sie in mir, diese … Weite, von der ich nicht weiß, wie ich sie erreichen und nutzen kann. Begreift Ihr, was ich meine?«
    Inurian spürte die Not, die Sehnsucht des Jüngeren. Eine Wunde brach in Aeglyss auf, eine Wunde, die er vielleicht schon seit Langem mit sich herumtrug.
    »Ich kann Euch nicht helfen«, erklärte Inurian. »Das sagte ich Euch bereits.«
    »Ihr könnt nicht?«, schrie Aeglyss und sprang auf. Seine Worte kamen wie Peitschenhiebe. Inurian spürte ein Kribbeln wie von tausend Insekten, die ihm über seine Haut liefen. Was ist, wenn jetzt der Tod kommt?, dachte er. Jetzt, in dieser Zelle, unbemerkt von allen?
    Aeglyss lehnte sich gegen die Wand. Eine Hand hing schlaff herunter. Die andere presste sich gegen den Stein, mit weit gespreizten Fingern, einer starren, riesigen Spinne gleich. Als er das Wort wieder ergriff, klang seine Stimme ruhig. »Ihr könnt den Menschen ins Herz sehen.«
    »Ich kann manchmal … unausgesprochene Gedanken lesen.« Inurian wägte seine Worte sorgfältig ab.
    »Was lest Ihr in meinem Innern?«, fragte Aeglyss.
    Inurian schloss die Augen und lag ganz still unter Aeglyss’ aufmerksamen Blicken da. Er spürte den harten, kalten Zellenboden, der ihm gegen die Hüfte drückte. Er konzentrierte sich

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