Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
Vom Netzwerk:
jetzt wagten es die Kyrinin nicht, sich aufzurichten oder zu sprechen. Endlich stand Varryn auf. Ohne sich nach den anderen umzuwenden, setzte er seinen Weg fort, als wäre nichts geschehen.
    »Bär«, sagte Ess’yr. »Der Wind war günstig.«
    Von da an bildete sich Orisian ein, dass der Koloss irgendwo weiter oben lauerte, ein dunkles, plumpes Geschöpf, und sie aus der Ferne beobachtete.

    Als sie Rast machten, rückten Huanin und Kyrinin ein Stück voneinander ab. Rothe roch misstrauisch an dem Proviant, den Ess’yr ihnen anbot. Er bestand aus kleinen Streifen von faserigem Dörrfleisch, das so alt und vertrocknet aussah, dass es fast schwarz war, und einer Handvoll großer Kerne, die Orisian nicht kannte. Sie schmeckten herb und nussartig, als er sie mit den Zähnen aufknackte und zerkleinerte. Rothe kaute unterdessen mit angewiderter Grimasse auf dem Fleisch herum, bis es ihm gelang, einige Fetzen zu lösen.
    »Ein Königreich für ein Wildschwein am Spieß«, murmelte Rothe, während er mit einem Fingernagel in den Zähnen stocherte, um die Fleischfasern zu entfernen.
    »Vielleicht in Anduran«, sagte Orisian.
    »Das wäre schön«, seufzte Rothe. »Dazu eine Bank anstelle von feuchtem Gras und am Ende des Tags ein Bett für die müden Knochen!«
    »Ich wusste gar nicht, dass du so großen Wert auf deine Bequemlichkeit legst«, neckte Orisian seinen Leibwächter mit einem Lächeln.
    »Das ist nichts als gesunder Menschenverstand. Ich habe genug von Winternächten unter dem Sternenzelt, mit Bäumen als Dach und Felsbrocken als Kopfkissen. Im Lauf der Jahre schwindet die Nachsicht solchen Lebensbedingungen gegenüber. Aber Ihr habt recht. Ich sollte mich nicht nach Behaglichkeit sehnen. Schließlich erwartet uns am Ziel weder Schlaf noch Völlerei.«
    »Nein«, murmelte Orisian. So oder so, sie näherten sich unweigerlich einem Krieg. Und dafür fühlte er sich noch nicht reif genug; er bezweifelte, dass er in der Lage war, die richtige Haltung gegenüber einem Krieg einzunehmen. Dennoch sagte eine Stimme in seinem Innern, dass es nur eine Antwort auf den Überfall während des Winterfests gab: Krieg. Zum ersten Mal regte sich in Orisian ein Wunsch, der ihm bisher fremd gewesen war – Blut durch Blut wegzuwaschen. Der Gedanke setzte sich wie ein Bandwurm in seinen Gehirnwindungen fest. Und er konnte fast sehen, wie Inurian missbilligend den Kopf schüttelte.
    Rothe spürte sein dumpfes Grübeln und klopfte ihm mit seinen schwieligen Pranken sacht auf die Schulter.
    »Wir überstehen das, Orisian. Das Lannis-Geschlecht ist stark. Und was immer geschieht, ich weiche nicht von Eurer Seite.«
    »Dann bin ich sicherer als jeder andere im Tal.«
    »Und ob. Ich habe einen Inkallim getötet. Das kann nicht einmal Taim Narran von sich behaupten.«
    Orisian schöpfte Kraft aus Rothes Nähe. Lediglich die Spannung, die zwischen seinem Leibwächter und Varryn herrschte, erschwerte die gemeinsame Reise. Rothes Widerwillen – um nicht zu sagen Zorn – darüber, dass er den Anweisungen des Kyrinin folgen musste, schwelte stets dicht unter der Oberfläche. Er verriet sich in dem starr vorgeschobenen Kinn und der grimmigen Art, mit der er geradeaus schaute oder sich am Bart zerrte.
    Es war offensichtlich, dass Varryn ihm die Sache nicht gerade leichter machte. Der Krieger nahm bei der Wahl seiner Wege keine Rücksicht darauf, dass die Menschen längst nicht seine Behändigkeit und Trittsicherheit besaßen, und er bot für sein Handeln nie eine Erklärung an. Selbst Orisian, der geneigt war, den beiden Kyrinin zu vertrauen, fand, dass Varryn eine kühle Arroganz ausstrahlte. Und die Kin’thyn genannten Tätowierungen, die wie tanzende Glühwürmchen über sein Gesicht wirbelten, trugen nicht dazu bei, diesen Eindruck abzumildern. Obwohl ihm sein Gedankenverrat Gewissensbisse verursachte, hegte Orisian den Verdacht, dass sich selbst Rothe nicht mit dem Kyrinin messen konnte, zumindest nicht in diesem Gelände. Vielleicht machte das einen Teil ihrer feindseligen Haltung aus; vielleicht verglichen solche Krieger instinktiv ihre Kräfte und spielten im Geist Wettkämpfe durch, um zu ergründen, wer von ihnen der Stärkere war. Varryns Arroganz mochte der Triumph des Mannes sein, der sich als Sieger fühlte.
    Mehrmals, wenn er auf glitschigem Moos ausrutschte oder ein Zweig unter seinem Fuß zerbrach, hörte Orisian von Varryn ein unterdrücktes » Ulyin! « Einmal fing auch Rothe das Wort auf.
    »Was meint er wohl mit Ulyin

Weitere Kostenlose Bücher