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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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Mensch, wie ihn Orisian noch nie gesehen hatte, hochgewachsen und mager wie ein halb verhungerter Hund, die struppigen Haare verdreckt und verfilzt. Dutzende von aufgenähten Knochensplittern verzierten das Fellwams, das er trug. Seine Arme waren nackt bis auf Ledermanschetten an den Handgelenken und Oberarmen. Auf der Schulter balancierte er eine furchterregende Waffe – eine knüppelähnliche Keule, aus deren dickerem Ende fünf oder sechs brutale Stacheln ragten.
    Der Mann blieb vor dem Haus stehen. Er spuckte aus und kratzte sich an der Nase. Seine Blicke wanderten umher, entspannt und nachlässig, und obwohl sie die Stelle streiften, wo Orisian und die anderen lagen, entdeckte er sie nicht.
    Nach einer Weile ging der Tarbain wieder nach drinnen. Erneut hörte man ein lautes Palaver. Ein Streit schien im Gange zu sein. Rothe zog sich hinter die Kuppe des Grashügels zurück. Die vier rückten eng zusammen, sobald sie von der Hütte aus nicht mehr zu sehen waren.
    »Schwer zu sagen, wie viele sich drinnen aufhalten«, flüsterte Rothe. »Den Stimmen nach sind es aber nicht nicht mehr als vier oder fünf.«
    »Von den Angehörigen des Jungen ist nichts zu sehen«, sagte Orisian. »Glaubst du, sie befinden sich ebenfalls im Haus?«
    Rothe zuckte mit den Schultern. »Wenn ja, dann sind sie tot. Tarbain machen keine Gefangenen, Orisian. Sie bleiben vermutlich eine Weile hier, schlagen sich die Bäuche voll und schleppen dann weg, was nicht niet- und nagelfest ist.«
    »Bis sie auf die nächste Familie stoßen und ihr das Gleiche antun …«
    »Vielleicht. Aber da wir nun schon in der Nähe sind, sollten wir sie auch unschädlich machen. Dafür müssen wir sie allerdings ins Freie locken. Wenn wir das Haus stürmen, lässt sich nicht vorhersagen, wen am Ende die Geier holen – sie oder uns.«
    Varryn raunte seiner Schwester etwas zu. Sie nickte, und er lief geduckt zum Hügelkamm hinauf. Ess’yr zog einen Pfeil aus ihrem Köcher und glättete das gefiederte Ende mit den Lippen. Es war eine zarte, fast sinnliche Bewegung. Rothe wirkte beunruhigt.
    »Was soll das?«, zischte er.
    »Sie müssen unter dem Himmel sein, ja?«, entgegnete Ess’yr. »Um sie zu töten?« Sie robbte zu der Stelle, von der aus sie die Hütte beobachtet hatten.
    Rothe holte sein Schwert aus der Scheide und sah Orisian mit hochgezogenen Augenbrauen an, ehe er ihr folgte.
    Das Gestreite war verstummt. Auf der Lichtung um die Hütte herrschte Stille. Eine schwache Brise strich über die Baumwipfel hinweg, erreichte die zersplitterte Tür und schwang sie knarrend hin und her. Orisian merkte, dass er den Atem anhielt.
    »Was soll das?«, fragte Rothe noch einmal. Seine Stimme klang gereizt.
    Ess’yr deutete nach unten. Varryn lief plötzlich geduckt auf die vordere Hüttenwand zu. Ess’yr stützte sich auf ein Knie und legte den Pfeil auf die Bogensehne. Rothe stieß ein zorniges Grollen aus. Er richtete sich halb auf und hob das Schwert. Orisian umklammerte den Griff des Inkallimmessers, das in seinem Gürtel steckte. Ein heftiger Schmerz durchzuckte seine Wunde, als er niederkniete, und er stöhnte leise.
    Varryn erhob sich und entfernte sich von der Hütte, ohne den Bogen von der Schulter zu nehmen. Nur den Speer hielt er locker in der Hand. Er legte etwa zwanzig Schritte zurück.
    »Das würde ich ganz anders machen«, knurrte Rothe.
    Varryn warf einen raschen Blick in ihre Richtung. Ess’yr spannte die Bogensehne. Varryn trat einige Schritte zur Seite, sodass man ihn von der offenen Eingangstür aus sehen konnte. Er stützte sich auf den Speerschaft und wartete.
    »Ihr haltet Euch im Hintergrund – vergesst das nicht!«, wisperte der Leibwächter Orisian ins Ohr.
    Aus dem Innern der Hütte drang aufgeregtes Stimmengewirr. Varryn lief auf Orisian und die anderen zu. Die Tarbain stürmten mit wildem Geheul ins Freie, so hastig, dass sie sich gegenseitig behinderten und ins Stolpern gerieten. Es waren insgesamt sechs. Sie sahen einen einzelnen Kyrinin auf der Flucht, fletschten die Zähne und nahmen mit Keulen- und Speergefuchtel die Verfolgung auf.
    Der Pfeil traf den hintersten Tarbain mitten in die Brust, noch ehe Orisian merkte, dass Ess’yr ihn auf die Reise geschickt hatte. Der Mann geriet ins Straucheln und kippte nach vorn. Rothe sprang auf, rannte vorwärts und schrie wie ein Irrer: »Lannis! Lannis!«
    Der nächste Pfeil schwirrte durch die Luft und bohrte sich in eine Schulter. Der Tarbain wankte, aber er fiel nicht. Orisian erhob

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