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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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sicherer.«
    Sie huschten durch die Seitengassen von Anduran, von Hauseingang zu Hauseingang, von Schatten zu Schatten, immer im tiefsten Dunkel. Wenn sie auf ausgebrannte Gebäude stießen, kletterten sie im Schutz von Mauerresten über und durch die Ruinen. Zweimal wären sie um ein Haar den Suchtrupps in die Hände gefallen, die ganz Anduran nach ihnen durchstöberten, und jedes Mal drückten sie sich in einen Winkel und hielten den Atem an, bis die Verfolger verschwunden waren.
    Die Zeit dehnte sich endlos hin, während sie auf den Westrand der Stadt zuhielten. Einmal hörten sie nicht weit entfernt Hundegebell und sahen einander stumm an. Vielleicht bedeutete es nichts, aber sie hatten beide den gleichen Gedanken: Die Jäger-Inkall – Spurensucher, Folterer und Mörder – war nicht minder gefährlich als die Krieger-Inkall, und es hieß, dass sie eine Elite innerhalb der Elitetruppen des Schwarzen Pfads bildete. Das Leben eines Geschöpfs, das die Jäger auf ihre Todesliste gesetzt hatten, war nicht mehr wert als das Versprechen eines Whreinin.
    »Wir müssen über den Fluss«, erklärte Inurian. »Wenn wir den Wald erreichen, können wir die Wege der Kyrinin benutzen und die Verfolger eine Zeit lang abschütteln.«
    Anyara nickte stumm. Sie kannte sich in Anduran gut aus, aber in der Dunkelheit, den Feind dicht auf den Fersen und angesichts der Verwüstung durch Feuer und Plünderer, wusste sie längst nicht mehr, wo sie sich befand. Inurian allerdings schien sich gut zurechtzufinden. Also verließ sie sich auf seine Instinkte und folgte ihm ohne Zögern.
    Sie erreichten eine Stelle, wo die Stadtmauer halb eingestürzt war. Angstvoll kauerten sie in einer Toreinfahrt, horchten angespannt und hielten Ausschau nach Wächtern. Aber die Stimmen, die sie hörten, nahmen ihren Ursprung irgendwo weit hinter ihnen. Sie erklommen einen Schutthaufen, klammerten sich an den Efeuranken fest, die das alte Gemäuer überwucherten, und zwängten sich durch eine Lücke in halber Höhe. Dann hatten sie es geschafft und rollten in den Graben am Fuß der Außenmauer. Anyara hätte am liebsten laut aufgelacht, als sie die Böschung hinunterkugelte, wie berauscht von dem Gedanken, dass ihr die Flucht geglückt war. Aber Inurian war sofort wieder auf den Beinen und spähte angestrengt in die Nacht.
    »Bleib dicht hinter mir!«, riet er ihr und war verschwunden, ehe sie antworten konnte. Er rannte die Gegenböschung hoch und auf die Felder hinaus, die sich jenseits des Grabens erstreckten.
    Das Mondlicht verbreitete hier einen helleren Schein als in der Stadt mit ihren Häuserschatten. Es verwandelte Sträucher und Bäume, Feldscheunen und ferne Höfe in finstere Silhouetten, die irgendwie bedrohlich wirkten. Sie wateten lange durch einen mit Wasser gefüllten Abzugsgraben. Als sie ihn endlich verließen, fühlten sich Anyaras Beine wie Eisklumpen an. Der zerfetzte Rock klebte ihr am Leib. Sie wollte gerade um eine kleine Rast bitten, als Inurian in die Hocke ging und ihr bedeutete, das Gleiche zu tun.
    »Siehst du das?«, fragte er und deutete über flachen Felder hinweg. Anfangs begriff Anyara nicht, was er meinte, aber dann entdeckte auch sie die winzigen gelben Lichtpunkte im Dunkel.
    »Kyrinin-Feuer, wenn ich mich nicht täusche«, murmelte Inurian. »Schleiereulen auf Kriegszug – und nicht wenige.« Eindringlich raunte er Anyara zu: »Die Welt ist auf den Kopf gestellt, wenn sie sich in solchen Scharen aus den Wäldern wagen. Das haben wir vor allem Aeglyss zu verdanken. Er könnte ähnlich gefährlich sein wie der Schwarze Pfad – eher noch gefährlicher, weil er unentschlossen und unberechenbar ist. Vergiss das nie, Anyara!«
    »Ich werde daran denken«, entgegnete sie verblüfft.
    »Und noch etwas«, fuhr Inurian fort. Er drückte ihr etwas in die Hand. »Ich weiß, es ist albern, aber möchte dich um einen Gefallen bitten. Nimm dies!«
    Sie schloss die Finger um das Schuhband mit den vielen Knoten.
    »Wenn mir etwas zustößt«, sagte der Na’kyrim , »und du später die Gelegenheit dazu findest, dann begrabe dies irgendwo in feuchter Erde und pflanz einen Weidenstab darüber. Wirst du das für mich tun?«
    Anyara nickte. Sie hätte ihn fragen können, was das zu bedeuten hatte, aber das erschien ihr im Augenblick unpassend.
    »Was tun wir jetzt?«, erkundigte sie sich.
    »Wir versuchen, den Fluss zu erreichen. Ich glaube … ach, wenn ich nur sicher wäre. Aber ich bin es nicht. Möglicherweise gibt es auf der

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