Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)
nicht den Schimmer von Verständnis oder Anteilnahme, nur diese gleichgültigen Augen, die zu einer fremden Rasse gehörten.
»Hunde!«, schrie Kanin und schwang sich in den Sattel.
Sie kehrten schweigend nach Anduran zurück. Ein schwerer Himmel lastete auf der Erde. Kanin spürte die düstere Stimmung, die seine Begleiter erfasst hatte. Er bereute, dass er derart in Zorn geraten war, insbesondere wegen eines Na’kyrim wie Aeglyss. Aber das Entkommen von Anyara – und allem Anschein nach auch ihres Bruders – quälte ihn. Und das Halbblut hatte es gewagt, in seine Gedanken einzudringen … das war unerträglich.
Schließlich wandte er sich an Shraeve und sagte wider sein besseres Wissen: »Ich hätte ihn längst aus dem Weg räumen sollen.«
»Vielleicht.«
Ihre offensichtliche Gleichgültigkeit entfachte von Neuem die Glut seines Zorns.
»Hätten Eure Raben in Kolglas bessere Arbeit geleistet, dann wäre es nicht zu diesem Zwischenfall gekommen.«
»Hätten Eure famosen Krieger es geschafft, ein junges Mädchen vom Stadtgefängnis in die Burg zu eskortieren, ebenfalls nicht.«
Kanin verkniff sich im letzten Augenblick eine wütende Antwort. Es hatte wenig Sinn, sich mit Shraeve zu verfeinden, nur um ein wenig Dampf abzulassen. Die Dolche der Inkallim würden auch vor dem Sohn eines Thans nicht haltmachen. Sie hatten im Lauf der Jahre mehr als einen Mächtigen zu Fall gebracht – selbstverständlich immer im Namen des Glaubens.
Kanin fand Cannek in den Pferdeställen von Burg Anduran. Die Jäger-Inkallim hatten dort ihre Hunde untergebracht. Cannek und zwei seiner Kameraden kauerten im Stroh und fütterten die großen Tiere mit Fleischbrocken. Kanin musste seine instinktive Scheu vor den Bestien unterdrücken. Die Hunde der Jäger erhielten eine ähnlich harte Ausbildung wie die Inkallim selbst; sie waren rücksichtslos darauf abgerichtet, Menschen aufzuspüren und zu töten. Kanin hatte einmal beobachtet, wie ein Dutzend Jäger und ihre Tiere ein Tarbain-Dorf auf den Ländereien seiner Familie überfielen, um einen Viehdiebstahl zu ahnden. Es war ein Gemetzel gewesen, das selbst den abgehärtetsten Kriegern Unbehagen bereitet hatte.
Cannek schaute auf, als sich der Titelerbe näherte. Er schob die Finger unter das Halsband des Hundes neben ihm und kraulte ihn. Das Tier starrte Kanin aus seelenlosen Augen an und stieß ein dumpfes Knurren aus.
»Er tut Euch nichts«, sagte der Inkallim.
»Ich wüsste gern, wie ihr mit der Verfolgung dieses Lannis-Mädchens vorankommt«, begann Kanin.
Canneks Kniegelenke knackten beunruhigend, als er sich aufrichtete. Er wischte einige Strohhalme von den ledernen Hosen.
»Ich habe noch nichts gehört. Aber macht Euch keine Sorgen! Zwei unserer besten Leute sind auf die Spur angesetzt. Sie werden nicht so schnell aufgeben wie die Schleiereulen.«
»Allmählich glaube ich nicht mehr an solche Versprechen«, knurrte Kanin missgelaunt.
»In der Tat? Dann ist Euer Besuch im Lager der Kyrinin unbefriedigend verlaufen?«
»Ich bin sicher, Shraeve erstattet Euch ausführlich Bericht, wenn Ihr sie darum bittet. Wohin führte die Spur nach den Wasserfällen?«
Cannek hob die Schultern. Selbst diese beiläufige Bewegung wirkte genau berechnet. »Hinauf in den Car Criagar. Das ist alles, was ich weiß, Titelerbe, und mehr, als ich wissen muss. Wie gesagt, unsere besten Leute folgen der Fährte. Sie werden nicht zurückkommen, bis die Beute tot ist.«
Zwei der Hunde gingen plötzlich mit lautem Knurren und schnappenden Kiefern aufeinander los. Unwillkürlich trat Kanin einen halben Schritt zurück.
»Kann ich Euch sonst noch irgendwie behilflich sein, Titelerbe?«, fragte Cannek.
Kanin schüttelte stumm den Kopf und ging. Er hatte eine Entscheidung getroffen, und es half nichts, wenn er sein Handeln zu lange aufschob. Er war müde nach so vielen Tagen der Anspannung, in denen er kaum Schlaf gefunden hatte, aber er wusste, dass er auch jetzt nicht zur Ruhe kommen würde. Wenn Kennets Nachkommen sich nach Koldihrve durchzuschlagen versuchten – und etwas anderes blieb ihnen nicht übrig, mit den Inkallim im Nacken und den Schleiereulen auf Kriegspfad in den Wäldern des Car Criagar –, dann war die Stadt der Schlüssel für sein weiteres Vorgehen. Kanin wusste über den Ort nur, dass er an der Mündung des Flusses Dihrve lag, der das Tal der Tränen durchschnitt, und ein elendes Kaff war, in dem Herrenlose und Waldelfen Seite an Seite lebten. Aber er hatte einen Zugang
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