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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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Geistes. Was euch lieber ist. Ich gebe zu, dass ich nicht mit einer so erstaunlichen kleinen Gruppe gerechnet hatte. Lannis-Haig und Füchse gemeinsam unterwegs – das ist selten. Seltener als eine Flaute vor dem Kap der Schiffbrüchigen.«
    Sie verstummte, und nach kurzer Zeit senkte sich die Stille so schwer über die Gruppe, dass es Mühe gekostet hätte, sie zu brechen. Orisian fand das Schweigen angenehmer als das Gespräch zuvor. Das Feuer knisterte und knackte. Der Wind seufzte.
    Orisian merkte, wie ihm der Kopf nach unten sank und die Lider schwer wurden. Er kämpfte vergeblich gegen die Müdigkeit an. Einmal fuhr er hoch und spähte umher. Anyara war gegen Rothes Schulter gesunken und eingenickt. Ess’yr und Varryn schliefen im Sitzen, mit dem Rücken an die Felswand gelehnt. Nur Rothe hielt sich eisern wach und musterte erschöpft die Na’kyrim , die sich am Feuer ausgestreckt hatte und seinen Blicken mit betonter Gleichgültigkeit begegnete. Während er langsam eindämmerte, überlegte Orisian, wie lange Rothe seine Wache wohl noch durchhalten konnte.

    Als Orisian erwachte, war das Feuer fast heruntergebrannt. Ein dünner Faden Tageslicht drang von der Außenwelt herein. Er fuhr sich mit der Zunge über die aufgesprungenen Lippen. Zu seiner Rechten lagen zwei zusammengerollte Gestalten auf dem Boden – Rothe und Anyara. Er hielt nach den Kyrinin Ausschau, entdeckte sie aber nirgends. Yvane war ebenfalls von ihrem Platz am Feuer verschwunden. In diesen ersten Momenten des Wachseins wurde er das Gefühl nicht los, dass irgendetwas fehlte. Aber erst als er aufstand, merkte er, dass das monotone, unentwegte Murren des Winds verstummt war. Ein wenig steif begab er sich zum Ausgang.
    Selbst ohne den Wind trieb ihm die eiskalte Luft Tränen in die verkrusteten Augen. Es war früher Morgen, und er staunte, dass er bis jetzt so tief geschlafen hatte. Die Ruinenstadt lag vor ihm wie ein starres graues Netz, ausgebreitet über den Schnee, der in der Nacht gefallen war.
    Er zuckte zusammen, als Ess’yr plötzlich an der unteren Kante der Plattform erschien und sich über einige Felsbrocken nach oben schwingen wollte. Er streckte die Hand aus und zog sie hoch. Sie war leicht wie eine Feder.
    »Gut geschlafen?«, fragte sie, und er nickte.
    »Wo ist Yvane?«, erkundigte er sich.
    Ess’yr rümpfte die Nase. »Beim ersten Frühlicht fortgegangen«, sagte sie.
    »Und Varryn?«
    »Auf der Jagd. Hasenspuren im Schnee.«
    »Dann warten wir wohl am besten, bis er und Yvane zurückkommen«, meinte er.
    Und das taten sie. Rothe und Anyara erwachten, frierend, hungrig und schlecht gelaunt. In einer Ecke der Höhle entdeckten sie trockenes Holz unter einer Bahn aus Sackleinen, und Rothe gelang es, das Feuer wieder zu entfachen. Sie kauerten sich dicht um die Flammen nieder.
    Nur Ess’yr kam nicht zur Ruhe. Immer wieder stand sie auf und ging für kurze Zeit nach draußen. Wenn sie zurückkehrte, nahm sie nicht am Feuer Platz, sondern wanderte umher und betrachtete die Wandmalereien. Als Orisian fragte, was es denn gebe, murmelte sie etwas, das er nicht verstand. Aber er konnte sich denken, dass die winzige Höhle einen krassen Gegensatz zur gewohnten Umgebung der Kyrinin bildete – den ausgedehnten Wäldern und der Weite des Himmels, die sie so liebten.
    Nach einer guten Stunde tauchte Varryn wieder auf. Er hatte einen Schneehasen erlegt, den er hastig zu Boden warf, ehe er die Augen zusammenkniff, herumfuhr und wieder nach draußen lief.
    »Bei der Windstille kann der Rauch nicht ins Freie abziehen«, stellte Rothe fest.
    Jetzt erst merkte Orisian, dass seine Augen ebenfalls schmerzten und tränten. Er flüchtete auf den breiten Sims vor dem Eingang und kauerte sich im Schneidersitz nieder, darauf bedacht, nicht allzu viel von seiner Körperwärme abzugeben. Von Varryn war nichts zu sehen. Nach kurzer Zeit gesellte sich Rothe zu ihm. Der Hüne hatte etwas auf dem Herzen, brachte es aber nicht über sich, mit Orisian darüber zu sprechen.
    »Ich möchte wissen, wo Yvane bleibt«, sagte Orisian.
    »Wir sollten uns vor ihresgleichen in Acht nehmen«, warnte Rothe. »Die hat mehr mit den Waldelfen als mit unsereinem gemeinsam.«
    »Sie scheint es gut mit uns zu meinen«, widersprach Orisian sanft. »Inurian war überzeugt davon, dass sie uns helfen werde.«
    »Ihr wollt Euch also nach Koldihrve durchschlagen?«, erkundigte sich Rothe.
    »Inurian hielt es für das Beste.«
    »Ich weiß, dass Ihr ihn geliebt habt, Orisian, und

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