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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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es ist nur recht und billig, dass Ihr seine Ratschläge ernst nehmt. Aber seid Ihr sicher, dass Ihr den richtigen Weg einschlagt? Es ist nicht so, dass ich ihm misstraue oder an seiner Weisheit zweifle. Ich weiß, dass er zu Bereichen Zugang hatte, die Menschen wie Euch und mir verschlossen bleiben.«
    Der alternde Krieger schaute ihm in die Augen, und Orisian las in seinen Blicken deutlich die Liebe und Fürsorge, die sich dicht unter der Oberfläche verbargen. Er sah auch, dass graue Fäden den Bart des Leibwächters durchzogen, die vor wenigen Wochen noch nicht zu sehen gewesen waren.
    »Orisian …«, begann Rothe und stockte, um sich zu räuspern. »Orisian, Ihr seid jetzt vielleicht der Than Eures Hauses. Ich halte das sogar für sehr wahrscheinlich.«
    Diesem Gedanken war Orisian beharrlich ausgewichen, seit ihm Anyara berichtet hatte, was in Anduran geschehen war. Er hatte gewusst, dass er sich irgendwann den Tatsachen stellen musste, aber es wäre ihm lieber gewesen, noch eine Weile abzuwarten.
    »Wir haben immer noch Hoffnung«, murmelte er mit gesenktem Blick. Fariel kam ihm in den Sinn. Sein Bruder hätte das Zeug zu einem guten Than gehabt. Mühsam verdrängte er den Gedanken. Nein, es half nichts, von einer Welt zu träumen, die nicht sein konnte.
    »Gewiss, gewiss«, sagte Rothe hastig. »Vielleicht ist Croesan am Leben geblieben. Oder Naradin. Oder der Kleine. Aber vielleicht auch nicht.«
    »Das weiß ich ebenso gut wie du, Rothe.«
    »Ja.« Der Leibwächter nickte. »Es tut mir leid.«
    Orisian legte ihm eine Hand auf den Arm. »Es ist nur so, dass ich nicht den geringsten Wunsch verspüre, das Amt des Thans zu übernehmen.«
    »Verständlich. Es ist immer leichter, freiwillig einen Eid zu leisten, als einen fordern zu müssen.«
    Nicht immer, dachte Orisian. Kylane hat sein Leben verloren, weil er das Versprechen gab, mich bis zu seinem letzten Atemzug zu verteidigen.
    Er sah seinen Leibwächter fragend an. »Kurz vor Ausbruch der Kämpfe hatte ich manchmal das Gefühl, dass du dein Schwert für immer an den Nagel zu hängen wolltest. Oder täusche ich mich da?«
    Rothe blickte so verlegen drein, als habe man ihn bei einer Kinderei ertappt.
    »Ich spielte mit dem Gedanken«, gab er zu, »aber nur ganz kurz. Vielleicht ein kleiner Hof wie der, auf dem ich aufwuchs – um den Lebensabend etwas ruhiger zu verbringen.« Seine Stimme klang mit einem Mal hart und entschlossen. »Aber das ist vorbei, Orisian. Solange ich noch ein Schwert in der Hand halten kann, weiche ich keinen Schritt von Eurer Seite – nicht einmal dann, wenn Ihr mit Steinen nach mir werft!«
    Orisian lächelte. »Das weiß ich doch, Rothe.«
    Eine Zeit lang schwiegen beide. Aus der Höhle drang der verlockende Duft nach gebratenem Fleisch.
    »Was soll ich deiner Meinung nach tun?«, fragte Orisian schließlich.
    »Ich folge Euch überallhin, aber wenn ich zu entscheiden hätte, würde ich nach Glasbridge gehen. Falls Ihr der neue Than seid, werden sich die Bürger um Euch scharen und auf Euer Kommando hören. Und wenn Anyara richtig beobachtet hat, dass unsere Feinde vom Haus Horin-Gyre angeführt werden, dann werden auch sie sich dorthin begeben. Sie müssen es versuchen. Ihre Wurzeln liegen in dieser Gegend.«
    Orisian ließ den Kopf hängen. Er wusste, dass Rothe ihm in der Tat überallhin folgen und sich für ihn opfern würde, ganz gleich, wofür er sich entschied. Genau wie sich Kylane für ihn geopfert hatte. Und – ein erschreckender Gedanke – wie es viele andere bereitwillig täten, wenn er der neue Than des Hauses Lannis war.
    »Mein Herz rät mir das Gleiche«, sagte er leise. »Aber Inurian schien so sicher, dass dies unser einziger Ausweg sei. Ich glaube nicht, dass Ess’yr und Varryn mitgekommen wären, wenn …«
    Ein Geräusch unterbrach ihn mitten im Satz. Yvane war aufgetaucht. Sie schleppte ein großes, mit Schnüren zusammengehaltenes Bündel Felle. Orisian und Rothe erhoben sich. Die düstere Miene der Na’kyrim schüchterte sogar Rothe ein.
    »Ich rieche Rauch«, sagte sie scharf.
    »Wir haben ein Feuer entfacht«, erklärte Orisian. Die beiden Männer traten einen Schritt zurück, als sie die Felle zu Boden warf und auf sie zugestapft kam.
    »Habt ihr kein Hirn?«, fauchte sie. »Könnt ihr euch nicht vorstellen, dass man in dieser Gegend an Feuerholz schwerer herankommt als in euren behaglichen Burgen?«
    Sie umfasste mit einer weit ausholenden Armbewegung das schneebedeckte Bergpanorama. »Seht ihr hier

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