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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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Felsensims, Bruder und Schwester Seite an Seite, und starrten über die Ruinenstadt hinweg, die von der Wintersonne erhellt wurde.

    Als Yvane zurückkam, brachte sie in Tierhäute gehüllten Proviant mit, dazu Wanderstäbe und Fellstreifen, die sie um die Stiefel wickeln konnten.
    »Besser als nichts«, knurrte sie und ließ die Pakete fallen.
    »Kommt Ihr mit uns?«, erkundigte sich Orisian.
    »Ja, ja. Ein Stück zumindest. Vielleicht auch bis nach Koldihrve.«
    »Das freut mich.«
    Die Na’kyrim lachte kurz auf und musterte ihn scharf.
    »Wirklich? Dann hast du nicht begriffen, dass es ein schlechtes Zeichen ist.«
    Er wartete geduldig auf ihre Erklärung.
    »Ich weiß nicht, was diese Füchse entdeckt haben«, sagte Yvane und deutete zu Ess’yr und Varryn hinunter, die immer noch die Ruinen durchstreiften. »Aber ich habe selbst Augen im Kopf und halte es daher für besser, eine Weile von hier zu verschwinden. Im Neuschnee sind Spuren von Hunden – großen Hunden – und Menschen zu sehen. Zweifellos hat hier jemand in der Nacht herumgeschnüffelt. Jemand, der es so ernst meint, dass er sich auch von einem Schneesturm nicht von der Verfolgung abhalten lässt.«
    Orisians Blicke wanderten beunruhigt über die Ruinenstadt hinweg. Nichts regte sich. Die eingestürzten Mauern und bröckeligen Steine lagen stumm unter einer Schneedecke.
    »Wenn ich hierbleibe, heften sich die Verfolger vielleicht an eure Fersen – vielleicht aber auch nicht. Und selbst wenn sie es tun, könnten sie mich vor dem Aufbruch in einem meiner Verstecke aufstöbern. Sosehr ich die Abgeschiedenheit liebe, ich bin nicht dumm. Ich weiß, dass ich allein nicht überlebe.«
    Orisian nickte.
    »Natürlich könnte ich weiterhin mein beschauliches Leben genießen, wenn Ihr nicht ungebeten hier aufgetaucht wärt«, fügte sie bissig hinzu.
    »Die ungebetenen Gäste, die in meiner Heimat auftauchten, haben mich weit mehr gekostet, als wir Euch kosten«, fauchte Orisian und kletterte von der Plattform in die Tiefe. Frischer Schnee knirschte unter seinen Füßen, als er sich einen Weg zu Ess’yr bahnte. Die Kyrinin kauerte neben einem Haufen behauener Steine und fuhr mit den Fingerspitzen leicht über die zerfressenen, mit Flechten bewachsenen Oberflächen. Orisian stand hinter ihr, einen Moment lang vom Glanz der Wintersonne auf ihrem Haar gefangen.
    »Hund«, murmelte sie. Sie wandte sich um und schaute mit ihren klaren grauen Augen zu ihm auf. Dann streckte sie ihm eine Fingerspitze mit einem Büschel kurzer, derber Haare entgegen.
    »Yvane sagt, sie hätten nachts die Ruinen durchstreift. Deshalb kommt sie mit uns.«
    »Am besten, wir gehen jetzt.« Ess’yr erhob sich geschmeidig. »Verstecken nutzt nichts. Wir zeigen uns offen. Dann sehen wir sie kommen.«

    Sie folgten Yvane am Fuß der Klippen entlang nach Norden. Alle waren angespannt und wachsam. Selbst Yvane schien sich in den Ruinen nicht wohlzufühlen. Zum ersten Mal im Leben sehnte sich Orisian nach dem Gewicht eines Schwerts an seiner Seite oder sonst einer Waffe, die mehr Schutz bot als das kleine Gürtelmesser.
    Stille umgab sie, als sie Criagar Vyne verließen. Nur ein paar Raben krächzten auf den Felsen hoch über ihnen. Diesmal waren sie mit den Pelzen und den Wanderstäben, die Yvane an sie verteilt hatte, besser für die öde Schneelandschaft ausgerüstet. Sie froren kaum, als sie den Schutz der Klippen verließen und der Wind stärker blies.
    An einem Tag wie diesem, hell und weit, boten die Berge einen prächtigen Anblick. Orisian stellte sich vor, dass der Car Criagar schlief und neue Kräfte sammelte, um dem nächsten Sturm standzuhalten, der vom Tan Dihrin herunterfegte. Hohe, mit Zinnen und Türmen bewehrte Gipfel umringten sie. Die Stille war so vollkommen, dass man meinen konnte, sie seien die einzigen Lebewesen seit vielen, vielen Jahren, die diesem Weg folgten. Sie schmeckten das unvorstellbare Alter und die geduldige Abgeklärtheit der Berge in der Luft, als sie immer weiter nach Norden vordrangen.
    Sobald die Ruinenstadt ein gutes Stück hinter ihnen lag, schienen sich zumindest die Kyrinin etwas wohler zu fühlen. Die freien Hänge boten kaum Gelegenheit für einen Hinterhalt. Dennoch blieb Varryn von Zeit zu Zeit stehen und spähte zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Am frühen Nachmittag rasteten sie eine Weile und teilten schweigsam Proviant und Wasser. Die Sonne schien beinahe warm auf ihre Gesichter, aber der Genuss währte nicht lange.

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