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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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mit dem Dolch in der Faust an deinem Lager erscheinen? Blut um Blut, Leben um Leben, und das seit Anbeginn der Zeit. Eine schöne Zukunft planst du da für dich und die Deinen. Überleg nur, um wie viel glücklicher die Welt sein könnte, wenn die Menschen für ihr Tun nicht die Anerkennung ihrer Vorfahren suchten, sondern das Lob ihrer Kinder.«
    »Was erwartet Ihr denn von mir?«, fragte Orisian. »Dass ich davonlaufe? Mich irgendwo in einer Höhle verkrieche?« In seiner Stimme schwang Ärger mit.
    Yvane seufzte. »Das ist mir ziemlich gleichültig, wenn du es genau wissen willst. Eure Thane und Kriegsherren glauben immer, sie allein träfen die Entscheidungen, sie allein hielten die Fäden in der Hand. Das mag manchmal stimmen, aber ebenso oft ist es falsch. Das Leben webt seine eigenen Muster. In seinen Fallstricken verfangen sich die hohen Herren ebenso oft wie das gemeine Volk. Welche Pläne du auch entwirfst, sie werden sich in deinen Händen verdrehen und verwirren. Du musst dir nur im Klaren sein, warum du etwas tust. Ich habe seit Langem genug von diesen Leuten, die ihre ganze Zeit damit verschwenden, alte Hassgefühle auszugraben und sie neu aufzupolieren. Die Vergangenheit ist wie eine Made im Herzen der Gegenwart, die alles faulig werden lässt.«
    Orisian senkte den Kopf und beobachtete eine Weile, wie seine Füße im Schnee versanken.
    »Mir geht es nicht um Rache«, sagte er. Er hatte ein wenig Rache geschmeckt, als ihm das Blut jenes Tarbain-Angreifers über die Hände gelaufen war. Sie hatte den Schmerz in ihm nicht besänftigt, und sie hatte keinen der Ermordeten zurückgebracht. Sie hatte nicht einmal die Holzfäller-Familie gerettet. »Ich will … einen Schlussstrich ziehen. Es ist die Zukunft, die ich verändern will, nicht die Vergangenheit. Wenn Ihr mir sagt, wie ich die Ereignisse aufhalten kann … wenn Ihr mir sagen könnt, wie ich sie aufhalten kann, ohne ein Schwert gegen den Schwarzen Pfad zu erheben, dann bin ich bereit, auf Euch zu hören. Aber ich glaube nicht, dass Ihr das könnt. Und ich weiß ebenso gut wie Ihr, dass nichts die Toten wieder zum Leben erwecken kann, aber das ist etwas anderes als der Wunsch, sie wären nie gestorben. Diesen Wunsch kann mir niemand verwehren.«
    Yvane lächelte traurig. »Nein, natürlich nicht.« Sie betrachtete den trüben Himmel. »Wir müssen uns selbst verzeihen, wenn wir den Toten unrecht getan haben. Und wir müssen ihnen verzeihen, wenn sie uns unrecht getan haben. Wir müssen ihnen die Bürden vergeben, die sie uns hinterlassen haben – insbesondere die Bürde ihres Todes.«
    Orisian spürte, wie sich ihm die Kehle zuschnürte, und er schloss kurz die Augen. Sie gingen stumm weiter.

    Sie waren, wie es schien, seit Stunden unterwegs, als Rothe plötzlich stehen blieb. Orisian sah den Grund, als er dem Blick seines Leibwächters folgte. Ein Stück über und hinter ihnen, auf einem niedrigen Hügel, den sie eine knappe Stunde zuvor überquert hatten, peitschte der Wind den Schnee zu wogenden Vorhängen auf, die den Kamm entlangtanzten. Und durch diese Schleier war eine verschwommene Gestalt zu erkennen. Sie tauchte kurz auf und verschwand wieder, umschlossen von Schnee und Wolken. Orisian kniff die Augen zusammen. Es konnte ein Felsenumriss sein, aber nein … die Silhouette bewegte und teilte sich. Auf dem Hügelkamm stand ein hochgewachsener Mann mit einem kräftigen Hund an seiner Seite.
    »Ein Angehöriger der Jäger-Inkall«, murmelte Rothe. »Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«
    Yvane stapfte schneller durch den knöcheltiefen Schnee.
    »Beeilt euch!«, rief sie über die Schulter hinweg. »Es ist nicht mehr weit bis zur Baumgrenze. Hier oben finden wir kein Versteck.«
    Sie folgten ihr schräg über den Hang in die Tiefe. Rothe hatte sein Schwert gezogen. Tief hängende Wolken kamen über den Hügel und hüllten sie in feuchten Dunst. Sie waren wieder allein und kämpften sich unter grauem Himmel durch ein Schneefeld. In gewisser Weise war das schlimmer als zuvor: Sie wussten zwar um ihre Verfolger, sahen sie aber nicht. Unwillkürlich beschleunigten sie ihre Schritte. Immer öfter drehten sie sich um und hielten nach den Jägern Ausschau. Vergeblich.
    »Vorsicht, Vorsicht«, murmelte Rothe, mehr zu sich selbst als zu den anderen. Der Nebel dämpfte seine Stimme.
    »Schneller!«, drängte Yvane und hastete vorwärts. Der Schnee behinderte ihr Fortkommen und hängte sich in Klumpen an ihre Beine, als wolle er sie festhalten.

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