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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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Augen. Anyara stieß einen tief empfundenen Seufzer der Erleichterung aus, und nicht einmal Rothe konnte sich ein Lächeln verkneifen.
    »Willkommen im Tal des Dihrve!«, sagte Yvane. »Manche nennen es auch das Tal der Tränen, aber uns erwarten hoffentlich glücklichere Tage.«
    Varryn wechselte einige Worte mit Ess’yr. Nach einer Weile nickte sie.
    »In der Nähe ist ein Vo’an «, sagte Ess’yr. »Nur eine bis zwei Stunden. Dort können wir rasten.«
    Niemand widersprach, obwohl Orisian einen erstaunten, beinahe entsetzten Blick von Anyara auffing. Er vergaß allzu leicht, dass sie nicht alle seine Erlebnisse geteilt hatte.
    »Das wird dir gefallen«, sagte er und versuchte ein wenig Zuversicht in sein Lächeln zu legen.

    Betagte Weiden wuchsen auf morastigem Grund, alle etwa gleich alt und für einen Dyn Hane zu spärlich verteilt. Dennoch wirkte der Ort irgendwie unberührt und gespenstisch – eine fremde Welt, in die Orisian und die anderen störend eindrangen. Überall lagen gestürzte, von Moos und Schwämmen überwucherte Stämme, die allmählich im Boden versanken.
    Auf einer Lichtung mit einem einigermaßen trockenen Grasbuckel machten sie Halt.
    »Wir sind nahe«, sagte Ess’yr. Ihr Atem rasselte, und jedes Wort schien ihr Schmerzen zu bereiten. Orisian litt mit ihr. »Wir gehen zuerst, bitten um Aufnahme für euch. Wartet hier.«
    »Gebt uns wenigstens einen Speer!«, verlangte Rothe von Varryn. »Wir haben keine Waffen außer meinem Messer und diesen Wanderstöcken.«
    Die Worte schienen den Kyrinin nicht zu erreichen. In Ess’yrs Begleitung brach er nach Norden auf und war schon bald verschwunden. Die anderen blieben auf dem Hügel zurück und beobachteten die Wolken, die tief über den Himmel jagten. Winzige braune Vögel hüpften im Unterholz umher.
    »Ist das wirklich ungefährlich für uns?«, fragte Anyara.
    »Nicht ganz«, entgegnete Rothe, ehe Orisian Luft holen konnte.
    »Sie hätten uns nicht hierhergebracht, wenn es gefährlich wäre«, widersprach Orisian.
    »Das ist wahr«, bestätigte Yvane ruhig. »Sie glauben, dass wir die Verfolger zumindest vorübergehend abgeschüttelt haben, sonst hätten sie uns nicht allein gelassen. Das gilt vor allem für Ess’yr.« Ihre Blicke wanderten von Orisian zu Anyara. »Wisst ihr, was der Ra’tyn bedeutet? Das Versprechen, das sie gegeben hat?«
    Orisian runzelte die Stirn und sah sie verständnislos an. Das Wort Ra’tyn kam ihm irgendwie bekannt vor, aber er erinnerte sich nicht sofort, wo er es gehört hatte. Dann fiel ihm ein, dass Inurian den Begriff am Sarnsprung benutzt hatte, als er sich mit Ess’yr in der Sprache der Füchse unterhielt. Und Ess’yr hatte Rothe gegenüber etwas von einem Schwur erwähnt, kurz vor ihrer Begegnung mit Yvane in Criagar Vyne. Er hatte es vergessen.
    »Ihr habt keine Ahnung, stimmt’s?« Yvane nickte nachdenklich. »Sie selbst wird es euch nicht sagen, das steht fest. Ich hörte zufällig, wie sie in der Ruinenstadt darüber sprachen – oder besser, darüber stritten. Jedenfalls könnt ihr sicher sein, dass sie euch keiner Gefahr aussetzen wird.«
    »Aber sie können nicht für die Waldelfen im Lager sprechen«, warf Rothe düster ein.
    »Im Dihrve-Tal liegen die Dinge etwas anders«, erklärte Yvane. »Huanin und Kyrinin haben das meiste Land hier unter sich aufgeteilt. Es herrscht eine Art Frieden zwischen ihnen. Deshalb gebe ich euch einen Rat – oder besser zwei Ratschläge. Erstens hassen es die Kyrinin, wenn man sie Waldelfen oder gar Wichte nennt. Das sind Bezeichnungen, die ihre Feinde geprägt haben. Und zweitens trennt sich kein Kyrinin gern von seinem Speer oder Bogen, wenn er sich außerhalb eines Lagers befindet. Wenn ein Huanin ihn dazu auffordert … Als Träger des dreifachen Kin’thyn scheut Varryn sicher nicht davor zurück, Blut zu vergießen. Er muss dich mögen, sonst hätte er dir den Speer mit der Spitze voraus gegeben.«
    Rothe zog ein finsteres Gesicht und schwieg. Die Zeit verstrich. Sie aßen und tranken. Orisian und Anyara dösten vor sich hin. Plötzlich raschelte etwas in ihrer Nähe. Rothe sprang auf und umklammerte seinen Dolch. Die anderen erstarrten und horchten angespannt. Kurz darauf vernahmen sie ein Grunzen und Schnauben, und gleich darauf flüchtete ein Tier durch das Unterholz.
    »Ein Sumpfhirsch«, bemerkte Yvane.
    Varryn kam allein zurück. Er war nicht länger als zwei Stunden fort gewesen.
    »Kommt!«, war alles, was er sagte.

    Dieses Vo’an unterschied

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