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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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schleppten Töpfe und Pfannen zwischen Herden und Tischen hin und her, während Köche in wilder Hast schnippelten und hackten, rührten und schwatzten. Eine Reihe wohlgenährter Moorhühner baumelte an Haken von einem der Deckenbalken. Ein Dutzend Brotlaibe, die zum Abkühlen auf einem langen Holzbrett lagen, verströmten einen köstlichen Duft. Zunächst schien niemand zu bemerken, dass Orisian und Anyara die Gewölbe betreten hatten. Aber es dauerte nicht lange, bis Etha, die Küchenaufseherin, sie erspäht hatte. Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab und humpelte näher – eine kleine, ältliche Person mit steifen Gelenken und einem hellwachen Verstand, die Orisian nun mit gichtgeschwollenen Fingern den Arm tätschelte.
    »Nun, wieder daheim?«, begrüßte sie ihn. »Und gerade zur rechten Zeit. Wäre jammerschade, wenn Ihr den schönen Festschmaus versäumt hättet.«
    »Jammerschade«, bekräftigte er mit ernster Miene und deutete auf die schwarz gefiederten Vögel über ihren Köpfen. »Sieht so aus, als gäbe es in diesem Jahr reichlich zu essen.«
    »Und ob! Und ob!«
    Sie wurde von einem zornigen Ausruf unterbrochen. Anyara eilte vorüber und jonglierte einen immer noch heißen Brotlaib von einer Hand in die andere, verfolgt von einem der Köche, der drohend einen Schöpflöffel schwang und dicke Soßentropfen in alle Richtungen verspritzte.
    »Also, dieses Mädchen!«, murmelte Etha. »Führt sich immer noch auf wie ein Kind.« Sie wandte sich wieder Orisian zu und stieß ihm einen steifen Finger gegen die Brust. »Und Ihr, junger Mann, seid keinen Deut besser als sie! Dass Ihr ein oder zwei Jahre jünger seid, ist keine Entschuldigung! Benehmt Euch wie Diebsgesindel, alle beide!«
    Orisian zog sich mit gespielt zerknirschter Miene zurück. Anyara hatte sich draußen einen gemütlichen Platz gesucht, kicherte leise vor sich hin und riss große Brocken aus dem frischen Brot. Er gesellte sich zu ihr, und gemeinsam verschlangen sie den halben Laib, der noch warm und wunderbar knusprig war. Sie plauderten eine Weile in der frostigen Nachtluft, fast wie Kinder, die die Köpfe zusammenstecken und sich neue Streiche ausdenken, während ihre Atemluft in kleinen Dampfwolken aufstieg. Dann trat einer der Küchenjungen in den Hof hinaus und schlug zum Zeichen, dass das Abendessen fertig war, mit einem Löffel gegen einen großen Kupferkessel. Orisian und Anyara schlossen sich den Soldaten und Stallknechten, den Mägden und Dienern an, die in den großen Gemeinschaftssaal strömten.
    Jenseits der Wälle war die Flut hereingekommen. Die mit Mondlicht bestäubten Wogen schlugen über dem Damm zusammen, und die Burg stand allein auf ihrem Felseneiland.
    III
    Gryvan oc Haig, Hoch-Than der Haig-Geschlechter, wurde durch die Stimme seines Dieners aus einem leichten, unruhigen Schlaf gerissen. Er drehte sich auf den Rücken und schirmte die Augen gegen das Licht der Öllampe ab, die der Mann in der Hand hielt.
    »Ein Bote, Herr«, sagte der Diener. »Von der Feste.«
    Gryvan presste Daumen und Zeigefinger gegen die Augenlider.
    »Wie spät ist es?«, fragte er.
    »Drei Uhr morgens.«
    Der Than der Thane setzte sich mit einem Knurren auf, fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen und merkte, dass er vom Wein des Vorabends einen schalen Geschmack im Mund hatte.
    »Bring mir Wasser!«, befahl er.
    Der Kammerdiener wandte sich ab und verließ das große Zelt. Das Licht verschwand mit ihm. Einen Augenblick lang saß Gryvan mit geschlossenen Augen da und horchte auf die Nachtbrise und das Knattern der schweren Zeltleinwand. Er merkte, dass er wieder in den Schlaf zu gleiten drohte. Im Dunkeln wickelte er sich in seine Decke und erhob sich ein wenig schwankend. So stand er da, als der Diener zurückkehrte, allem Anschein nach beunruhigter als zuvor; vielleicht war ihm unterwegs eingefallen, dass er besser daran getan hätte, die Lampe im Zelt zu lassen. Er reichte seinem Herrn einen mit Wasser gefüllten Humpen. Gryvan trank ihn leer.
    »Meinen Umhang!«, verlangte er.
    Hastig holte der Kammerdiener den dicken Pelzumhang, den der Hoch-Than achtlos neben sein Lager geworfen hatte. Sie befanden sich hoch in den Bergen auf dem Gebiet des Dargannan-Haig-Stammes, und die Höhe verlieh den Nächten selbst hier im Süden einen scharfen Biss. Gryvan warf sich den Umhang um die Schultern, nahm die goldverbrämten Ränder in beide Hände und verschränkte die Arme. Ein kurzes Frösteln überkam ihn, und er blähte die

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