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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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verstimmt an ihren Platz zurück.
    Erst nachdem sich das Gelächter gelegt hatte, bemerkte Orisian, wohl als Einziger in der Halle, den müden, traurigen Gesichtsausdruck von Inurian, und er fragte sich, was der Na’kyrim im Herzen der Witwe gelesen hatte.

    Das Bankett nahm weiter seinen Lauf. Orisian leerte seinen Becher und hatte ihn kaum abgesetzt, als eines der Schankmädchen kam, um ihn erneut zu füllen. Er fühlte sich warm und glücklich. Sein Vater schien friedlich gestimmt wie seit Wochen nicht mehr, und die gute Laune des Augenblicks reichte aus, um wenigstens an diesem Abend die Schatten der Vergangenheit zu verdrängen. Orisian rutschte tiefer in seinen Sessel und überließ sich einer wohligen Zufriedenheit.
    Kennet beugte sich zu ihm herunter.
    »Wenn wir nach Kolkyre reisen, bekommst du ein Schwert von mir, Orisian. In der Stadt gibt es nämlich die besten Waffenschmiede nördlich von Vaymouth. Mein Vater ließ mir dort eines anfertigen, im gleichen Jahr, als er Than wurde.«
    »Ich werde es mit großem Stolz tragen«, sagte Orisian und merkte, dass der Wein seine Zunge über so manches Wort stolpern ließ. »Aber frag zuerst Rothe, ob ich ein solches Schwert verdiene. Ich glaube nicht, dass ich der beste Schüler bin, den er je hatte.«
    Kennet tat den Einwand mit einem ironischen Lächeln ab. »Wenn du glaubst, dass der Mann je ein Wort gegen dich vorbrächte, kennst du ihn aber schlecht. Außerdem sagte er mir schon vor Monaten, dass du dich noch zu einem tüchtigen Schwertkämpfer entwickeln wirst – sobald du deine Angst ablegst, nicht gut genug zu sein.«
    »Ich …«, begann Orisian, doch im gleichen Augenblick brach am anderen Ende des Saals Hektik aus. Die Akrobaten strömten herein und wurden mit so lautem Beifall bedacht, dass keiner das eigene Wort mehr verstand.
    Wie ein Schwarm großer Vögel, der plötzlich aufstiebt, verteilten sie sich im Saal und wirbelten ihre Bälle und Keulen in atemberaubenden Kaskaden umher. Die Gäste pfiffen und klatschten, als die Jongleure immer schwierigere Figuren warfen und dabaei immer schneller wurden. Zwei von ihnen sprangen auf gegenüberstehende Tische und schleuderten ihre Keulen über die ganze Breite des Saals hinweg. Andere entfachten Fackeln. Flammen zischten durch die Luft.
    Orisian war beeindruckt. Eine solche Kunstfertigkeit hätte er nie und nimmer mit Herrenlosen in Verbindung gebracht. Die einsamen Jäger und Wanderhändler, die gelegentlich im Herrschaftsgebiet von Lannis auftauchten, waren in der Regel zerlumpte, ungepflegte Gestalten, die in das allgemeine Bild umherziehender, jeglicher Stammesbindung beraubte Geschöpfe passten. Wann immer er solche Leute gesehen hatte, waren sie ihm als Fragmente der Wildnis selbst erschienen, losgelöst von jeder Ordnung und unfähig, sich in eine städtische oder dörfliche Gemeinschaft einzufügen. Diese Akrobaten aber waren völlig anders: stark, voller Selbstvertrauen, ganz auf ihre Vorführungen konzentriert.
    Einer der Gaukler trat nach vorn. Er hielt kleine Glaskugeln in den Händen. Sobald er mit ihnen zu jonglieren begann, glitzerten und blitzten sie, bis sie einen funkelnden Bogen reflektierten Kaminfeuers bildeten. Dazu vernahm man, zunächst schwach, dann immer lauter, ein helles Klingen und Klirren, als er die Flugbahnen der Kugeln so veränderte, dass sie einander in der Luft anstießen. Die Zuschauer stießen kleine Bewunderungsschreie aus. Orisian strahlte und beobachtete das Spiel der tanzenden, schillernden Sphären ebenso gebannt wie Anyara und Kennet. Nur Inurian schien ihre Begeisterung nicht zu teilen. Auch er verfolgte das Spektakel mit großer Aufmerksamkeit, aber er hatte die Stirn gerunzelt und schien zutiefst verwirrt.
    Orisian wandte sich wieder der Vorführung zu. Eine der Kugeln löste sich aus dem Wurfbogen und drohte auf den Fliesen zu zerschellen, doch eben als ein Raunen der Enttäuschung anhob, fing der Jongleur sie geschickt mit der Spitze seiner weichen Wildlederstiefel auf. Stürmischer Beifall brandete auf. Der Mann verbeugte sich tief und gebot dann mit erhobenen Armen Stille. Als das Stimmengewirr verstummte, begann er zu sprechen, leise und mit einem sonderbaren Akzent, der den Eindruck erweckte, als kämen die Laute nicht aus seinem Mund.
    »Wir brauchen mehr Platz, als diese Halle bietet. Bitte folgt uns nach draußen. Die Kälte ist erträglich, denn die Nacht ist noch jung, und die besten Nummern kommen noch.«
    Damit wirbelte er herum und führte

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