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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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Winterfest ganz nach seinem Geschmack.
    Den Frauen auf den Stangen wurden nun Fackeln zugeworfen, die sie mit atemberaubender Schnelligkeit hin und her wirbelten. Als sie mit ihrem Spiel fertig waren, ließen sie die Feuerbrände einfach fallen. Andere Jongleure fingen sie am Boden auf und schleuderten sie im Kreis. Unterdessen hoben die Männer mit den Stangen ihre Last ein Stück hoch, stützten die Enden in die verschränkten Hände und bewegten sich Schritt für Schritt, mit vor Anstrengung und Konzentration verzerrten Gesichtern, auf das Torhaus zu.
    »Was tun sie da?«, fragte Inurian, der neben Orisian getreten war. Idrin saß auf der Schulter des Na’kyrims , hielt den Kopf schräg und blinzelte Orisian an.
    »Ich weiß es nicht«, entgegnete Orisian, ohne die Blicke von dem Spektakel abzuwenden.
    »Irgendetwas stimmt da nicht«, murmelte Inurian.
    Einer der Akrobaten hievte jetzt mühsam ein großes Fass über den Kopf. Orisian löste sich zögernd von dem Schauspiel und sah Inurian an.
    »Was?«, fragte er.
    »Ich bekomme es nicht zu fassen. Diese Leute verbergen etwas … aber ich dringe nicht zu ihnen durch.«
    Die Krähe stieß sich von Inurians Schulter ab und flatterte auf, ein schwarzer Umriss gegen die dunkle Kuppel der Nacht.
    »Ach, du machst dir zu viele Sorgen«, lachte Anyara. »Genieß doch einfach die Vorführung!«
    Inurian brummte etwas und schüttelte den Kopf. Orisians gute Laune erhielt einen kleinen Dämpfer. Inurian konnte die Gedanken anderer Menschen spüren. Es gab niemanden, dem Orisian mehr vertraute, und wenn der Na’kyrim beunruhigt war, dann musste es einen Grund dafür geben.
    Ein Aufschrei ging durch die Menge, und seine Blicke wanderten zurück zu den Gauklern. Er sah gerade noch, wie sich die beiden Frauen von den Stangen abstießen und auf das Flachdach des Torhauses hechteten. Ein Wächter war dort erschienen und hatte sich über die Zinnen gebeugt, um das Geschehen mitzuverfolgen. Eine der Frauen stieß mit ihm zusammen, und sie taumelten gemeinsam hinter die Brustwehr. Das wirkte plump und irgendwie fehl am Platz. Orisian wandte sich halb zu seinem Vater um, wollte etwas sagen …
    Unvermittelt ließen die Männer die Stangen los, die sie in die Höhe gestemmt hatten; die schweren Pfähle kippten, erst langsam, dann immer schneller, den Zuschauern entgegen, die erschrocken aufschrien und auszuweichen versuchten. Der Akrobat, der mit dem Fass in der Mitte des Hofs stand, stieß ein lautes Gebrüll aus und ließ seine Last fallen. Holz krachte auf die Pflastersteine. Unter den zerbrochenen Fassdauben kamen Kurzschwerter zum Vorschein. Zwei der Gaukler warfen brennende Fackeln in die Menge. Entsetzen breitete sich aus.
    »Was soll das?«, fragte Kennet verständnislos.
    Die Stangen schlugen dröhnend zu Boden. Eine dunkle Gestalt stürzte vom Dach des Torhauses und blieb verkrümmt im Hof liegen. Es war der Wachtposten. Im Schein der Fackeln sah Orisian das gebrochene Genick und die weit aufgerissenen, leblosen Augen. Die Gaukler, die ihre Stangen fallen gelassen hatten, waren jetzt am Tor. Sie lösten den großen Riegel und stießen die Flügel auf. Die Männer und Frauen der Akrobatentruppe rissen die im Hof verstreuten Schwerter an sich und fielen über die Gäste her, die ihnen eben noch zugejubelt hatten. Im nächsten Augenblick war der Hof nur noch von Chaos und Kampflärm beherrscht.

    Die draußen wartenden Krieger erhoben sich aus dem Schatten der Burgmauern, als sie das Knarren der Torflügel vernahmen. Sie stürmten los. Gleichzeitig kam ein Reiter von der Stadt her über den halb vom Wasser verdeckten Damm geprescht – ein junger Mann, der wild auf die Kruppe seines Pferds einschlug, um es zur Eile anzutreiben.
    »Schlagt Alarm auf der Burg!«, schrie er. »Schlagt Alarm auf der Burg! Waldelfen greifen die Stadt an! Ein Überfall der Schleiereulen!«
    Während seine Gefährten durch das offene Tor strömten und sich in das Kampfgetümmel stürzten, wandte sich ein Mann um und wartete in geduckter Haltung auf den Reiter. Mit einer fließenden Bewegung griff er über die Schulter nach hinten und zog sein Schwert aus der Scheide. Der Bote kam unter lauten Warnrufen näher, ohne langsamer zu werden. Im letzten Augenblick trat der Krieger zur Seite, um nicht niedergetrampelt zu werden, und hieb mit dem Schwert über die Vorderbeine des Pferds. Der Aufprall war so hart, dass ihm die Waffe aus den Händen fiel, aber das Tier wieherte schrill, geriet ins Stolpern und

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