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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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Steinstufen hinauf. Der Kaufmann packte Anyara an der Hand und versuchte sie mitzuzerren. Sie las in seinem Blick eine Mischung aus Zorn und Entsetzen, die ihr Angst machte. Instinktiv riss sie sich los und rannte in den Bankettsaal.
    Er lag gänzlich verlassen da. Bei Ausbruch der Kämpfe hatten die Dienstboten Zuflucht in Küchen und Vorratskammern gesucht. Das Kaminfeuer brannte noch. Speisereste lagen auf den Tischen – halb verzehrte Fleischkeulen, angebissene Brotkanten, hier und da ein Krug, umgekippt im hastigen Gedränge, als alle ins Freie gestürmt waren, um die Vorführung der Gaukler nur ja nicht zu versäumen.
    Mitten im Lauf stockte sie. Dieses Bild eines unterbrochenen Festes wollte einfach nicht zu dem wilden Tumult passen, den sie draußen hörte. Ein lautes Pochen am Portal zum Wohnturm schreckte sie aus ihren Gedanken. Erst glaubte sie, es seien Gäste, die Zuflucht suchten. Sie wollte umkehren und ihnen öffnen, doch da vernahm sie eine kaum verständliche Stimme mit einem harten Akzent, und ein Angstschauer lief ihr über den Rücken.
    Anyara sagte sich vor, dass die verriegelte Tür stabil war und dem Ansturm bestimmt eine Zeit lang standhielt. Sie tat gut daran, sich in einer dunklen Ecke zu verkriechen und dort zu warten, bis die Gefahr vorüber war. Aber wenn die Gefahr blieb? Anyara erstickte die leise innere Stimme, die diese Frage stellte. Und doch konnte sie sich nicht verstecken wie ein kleines Kind. Sie musste sehen, sie musste wissen, was geschah. Ihr Vater und Orisian waren da draußen. Umgeben von Geschrei und Schwertergeklirr.
    Sie schaute zu den großen Fenstern der Halle hinauf. Sie waren sehr hoch angebracht, aber wenn sie eine Bank darunterschob und sich auf die Zehenspitzen stellte, konnte sie vielleicht sehen, was im Hof vor sich ging. Eine steile Falte stand zwischen ihren Augenbrauen, als sie die nächstbeste Bank an einem Ende anhob und sich anschickte, sie unter die Fenster zu zerren.
    Das Fenster zerklirrte, wie von einem großen Stein getroffen. Scherben wirbelten umher und hüllten die dunkle Gestalt, die durch Luft geflogen kam, in eine glitzernde Wolke. Anyara wich zurück. Die Bank entglitt ihren Händen. Der Inkallim landete auf einem der großen Esstische. Teller und Trinkgefäße schlitterten zu Boden. Geduckt wie ein Tier federte er sich auf den Fußballen ab und ließ die Blicke umherschweifen. Seine nackten Oberarme bluteten. Glassplitter steckten in seiner Haut. Dann entdeckte er Anyara und starrte sie unverwandt an. Angespannt lauerte sie auf eine Möglichkeit zur Flucht.
    Eine zweite Gestalt zeichnete sich als bedrohlicher Umriss im Fenster ab und segelte dann in die Tiefe. Der erste Krieger setzte zum Sprung an, als Anyaras Aufmerksamkeit abgelenkt war. Sie warf sich herum und wollte zum Portal laufen, aber schon nach wenigen Schritten spürte sie einen heftigen Schlag im Rücken, der ihr die Beine wegriss und sie nach vorn schleuderte. Sie flog auf ein Kohlenbecken zu, das neben der Tür stand. Der Aufprall jagte ihr einen heftigen Schmerz durch die Schultern. Benommen spürte sie eine heftige Hitzewoge, als der Ständer umkippte und zu Boden krachte. Sie rollte zur Seite und schüttelte die glühende Asche ab. Obwohl sich alles um sie drehte, spürte sie den Inkallim dicht hinter sich. Ein gelber Lichtstrahl zuckte auf – der Widerschein des Feuers auf der Klinge seines Schwerts. Sie trat nach seinen Schienbeinen. Elegant wich er ihrem Angriff aus. Ehe sie erneut Schwung holen konnte, spürte sie eine Schwertspitze, die sich gegen ihr Brustbein presste. Ein kräftige Hand packte sie an den Haaren, riss ihren Kopf hoch und schmetterte ihn gegen die Steinfliesen. Blut sickerte aus einer Platzwunde am Hinterkopf.
    »Still!«, zischte der Inkallim.
    »Lasst mich los!«, schrie sie.
    Dann wurden ihr die Arme auf den Rücken gedreht. Jemand hob sie hoch. Der Geruch von verbrannter Haut, Blut und Schweiß stieg ihr in die Nase. Der zweite Inkallim trat vor sie hin, nahm ihr Gesicht zwischen beide Hände und drehte ihren Kopf hin und her, während er sie aufmerksam betrachtete. Er knurrte und sagte etwas Unverständliches. Der Mann, der sie festhielt, schien aus Stein zu sein, denn er ließ sich von ihrem Gezappel nicht im Geringsten beirren. Die beiden Krieger berieten sich im Flüsterton und schleppten sie dann zum Tor des Wohnturms. Sie horchten in den Treppenschacht. Nichts rührte sich in den Schatten. Der zweite Krieger entfernte die Querstange von den

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