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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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durch die Nässe.
    Das Gefängnis vermittelte den Eindruck einer kleinen Feste. Anyara und Inurian wurden durch das Tor in der lang gestreckten Außenmauer eingelassen. Im Innern gab es zwei Zellenblöcke auf jeder Seite mit angeschlossenen Wachstuben und Unterkünften für die Aufseher. Schmale, vergitterte Fenster starrten den Neuankömmlingen düster entgegen. Nur der Kerkermeister besaß ein eigenes Haus. Einige Horin-Gyre-Krieger hatten sich davor versammelt. Sie sahen zu, wie zwei Gehenkte von den roh gezimmerten Galgen geschnitten wurden, die das Gebäude flankierten.
    Es dauerte eine Weile, ehe Anyara begriff, dass sie und Inurian nun getrennt wurden. Ihre Bewacher steuerten sie in verschiedene Richtungen, Anyara auf den Block zur Rechten und Inurian auf den Block zur Linken zu.
    »Inurian!«, rief sie.
    Er warf ihr einen Blick zu, in dem sie so etwas wie Qual zu lesen glaubte.
    »Sei stark«, sagte er. »Es ist noch nicht vorbei.«
    Anyara konnte noch nicken, ehe jemand ihren Kopf nach unten drückte und sie durch eine niedrige Tür ins Innere des dunklen Gefängnisbaus stieß.
    Später, als die Bewacher sie auf den harten Boden einer engen Zelle geworfen, die Tür zugeschlagen und versperrt hatten und das einzige Geräusch von den Regentropfen kam, die durch das winzige Fenster hoch in der Wand eindrangen, konnte sie endlich weinen.
    IV
    Lheanor oc Kilkry-Haig hatte schon eine ganze Weile mit dem Stellvertreter des Hoch-Thans gestritten. Dabei war Lagair Haldyn dar Haig nicht der schlechteste Steward, den Gryvan oc Haig ihm aufgezwungen hatte. Insgesamt hatte Lheanor seit Übernahme der Than-Würde drei Inhaber dieses Titels erlebt, und der zweite – Pallick – war gegen Ende seiner Amtszeit schier unerträglich gewesen. Selbst der Hoch-Than hatte schließlich eingesehen, dass die Anwesenheit des Mannes in Kolkyre niemandem nützte, und ihn an den Hof von Igryn oc Dargannan-Haig versetzt. Lheanor zeigte sich nicht sonderlich erstaunt, als er später erfuhr, dass Igryn den Mann in eine Kerkerzelle geworfen hatte. Manchmal fragte er sich, ob die Ernennung von Pallick als Steward im Dargannan-Gebiet nicht etwa ein bewusster Schachzug des Hoch-Thans gewesen war, um Igryn zum Aufstand anzustacheln. Weder Gryvan oc Haig noch seine Schattenhand waren über solche üblen Machenschaften erhaben – und wenn es ein Einzelner schaffte, durch Sturheit und Arroganz eine Revolte auszulösen, dann Pallick.
    Im Vergleich dazu beschränkten sich Lagairs Schwächen auf Faulheit und eine ungeheure Gleichgültigkeit gegenüber den Belangen anderer. Das machte jede Diskussion mit ihm zu einer undankbaren Aufgabe. Lheanor war ein alter Mann, den das Gerede ermüdete, und so empfand er die Anwesenheit seines Sohns, des Titelerben Gerain, als Erleichterung.
    »Ich bestreite keineswegs Euer Recht zum Eingreifen«, sagte der Steward gerade. Aus irgendeinem Grund schaute er weder den Than noch Gerain an, sondern stierte mit leerem Blick in die Flammen des Kaminfeuers. »Ich will lediglich verhindern, dass Ihr Eure gesamte Streitmacht ins Tal des Glas verlagert, solange wir erstens nicht wissen, was genau sich dort abspielt, und zweitens aus Vaymouth keine Nachricht haben, was der Hoch-Than zu tun gedenkt.«
    »Es sind bereits Kundschafter unterwegs, die Näheres über die Lage herausfinden sollen«, erwiderte der Titelerbe ruhig. »Aber wie immer ihre Berichte im Einzelnen ausfallen mögen – Ihr könnt nicht leugnen, dass rasches Handeln notwendig ist. Mehr als hundert Leute aus Kolglas und den umliegenden Dörfern haben bereits unsere Grenzen überquert. Weitere sind unterwegs. Und ihre Aussagen decken sich. Kolglas selbst wurde angegriffen. Auf der Burg und in der Stadt wüten Brände. Kennet nan Lannis-Haig ist tot. Kyrinin vom Stamm der Schleiereulen plündern die Höfe des Umlands, und Inkallim durchstreifen Anlane. Inkallim, Steward! Wenn die Raben des Schwarzen Pfads so weit in den Süden vorgedrungen sind, dass sie offene Kämpfe um Kolglas austragen, wie könnt Ihr da noch zweifeln, dass uns Unheil droht?«
    Lagair rieb sich die Nasenflügel und runzelte angestrengt die Stirn.
    »Wenn ich in all den Jahren eines gelernt habe«, sagte der Steward – und Lheanor stöhnte innerlich über die pompöse Phrase, die Lagair bei jeder Gelegenheit wiederholte –, »dann ist es dies: Die logischen Schlüsse werden nicht immer durch die nachfolgenden Ereignisse bestätigt. Ich meine, überlegt doch einmal! Kolglas wurde

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