Winterwunder
ich mich manchmal zurückziehen, ich bin einfach daran gewöhnt, also mache ich es.«
»Ich wünschte, das würdest du nicht tun«, warf Emma ein.
»Ich weiß, aber eben weil ich das weiß, habe ich dabei auch Gewissensbisse. Ich kann ziemlich gut nachempfinden, was Mal durchmacht. Mein Vater ist nicht gestorben, hat uns aber verlassen, und seitdem war er nie da, wenn ich ihn wirklich gebraucht oder bei mir gewünscht hätte. Und ich blieb zurück mit jemandem, der mir, wenn auch nicht so brutal wie Artie, das Gefühl gab, nichts wert zu sein.«
Sie griff zum Wasser, weil ihre Kehle ganz rau war. »Manchmal, und obwohl ich es eigentlich besser weiß, überkommt mich das heulende Elend, und ich schaue mir Em an, mit ihrer unglaublichen Familie, oder Laurel, die einfach ›zur Hölle mit ihnen‹ sagen und das ernst meinen kann, oder Parker, die immer so verdammt beherrscht ist, und dann habe ich das Gefühl, ihr versteht das einfach nicht. Wie könntet ihr auch? Und so kommt zu meinem Grübeln und den Gewissensbissen noch eine Abwehrhaltung. Deshalb will ich manchmal einfach nicht über den ganzen Mist reden, weil es eben mein Mist ist.«
»Du kannst das so gut ausdrücken.« Laurel prostete ihr zu. »Aber wir können dich dafür gut zum Reden bringen.«
»Ja, und danach geht es mir jedes Mal besser. Ihr alle wisst nicht nur, welche Knöpfe ihr drücken müsst, um mich wieder zu öffnen, sondern am Ende öffne ich mich wieder, weil ich weiß, dass ihr mich liebt und mich mit meinem ganzen Mist akzeptiert, weil ihr mich liebt.«
»Ich nicht.« Laurel lächelte. »Mir tust du nur leid, weil der Quell meines Mitgefühls unendlich ist.«
Mac nickte. »Gegen dich war Mutter Teresa ein Eisblock.«
»Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn liebe«, murmelte Parker, und Laurels Kopf fuhr herum.
»Was? Warum sagst du das erst jetzt? Wann?«
»Als ich noch mehr als nur ein bisschen sauer war. Als er mir gesagt hat, ich verstehe ihn nicht, und das Ganze hat nichts mit mir zu tun. Ich habe ihm gesagt, er ist ein Idiot, und es hat sehr wohl etwas mit mir zu tun, weil ich ihn liebe. Dann bin ich wieder ins Haus gegangen, um mich um die Feier zu kümmern, was ich die ganze Zeit hätte tun sollen.«
»Was hat er gesagt?« Emma presste schon eine Hand aufs Herz. »Was hat er gemacht?«
»Überhaupt nichts. Er war zu beschäftigt damit, mich anzustarren, als hätte ich ihm in die Eier getreten. Was auch besser gewesen wäre.«
»Am Freitag? Du hast es ihm am Freitag gesagt.« Emma wedelte mit den Händen. »Wir haben das ganze Wochenende über zusammen gearbeitet, und du hast uns nichts davon erzählt?«
»Sie hat uns nichts gesagt, weil es ihr Mist ist.«
Parkers Blick schweifte zu Mac. »Wenn wir bei dem Thema bleiben müssen, ja, ich glaube, das stimmt. Ich musste zuerst in Ruhe darüber nachdenken. Und noch ein Grund ist, dass nichts, einfach gar nichts so läuft, wie ich es mir immer vorgestellt habe. Wie ich es geplant hatte. Eigentlich hätte ich mich in einen vernünftigen, aber genialen Mann verlieben müssen, der einen köstlichen Humor und großes Kunstverständnis hat. Und ich weiß schon, dass du jetzt die Augen verdrehst, Laurel, also lass es.«
»Wegen des köstlichen Humors.«
»Egal. Das ist jedenfalls meine langfristige Planung, an der ich über zehn Jahre gearbeitet habe.«
»Im Ernst?«
»Halt die Klappe, Mac.« Doch um Parkers Mund zuckte es, nur ein wenig. »Dieser vernünftige und doch geniale Mann und ich würden ein paar Monate locker miteinander ausgehen, einander kennenlernen und besser verstehen. Dann würden wir eine romantische Kurzreise unternehmen, mit beliebigem Ziel. Es könnte eine wundervolle Suite in einem New Yorker Hotel sein, ein Häuschen am Strand, ein B&B auf dem Land. Wir würden ein ausgiebiges Candle-Light-Dinner genießen, oder vielleicht ein Picknick. Danach hätten wir traumhaft guten Sex.«
»Gehört dazu auch eine schnelle Nummer in der Besenkammer?«, wollte Laurel wissen.
»Halt du auch die Klappe. Sonst erzähle ich euch nicht den Rest meines Plans.«
Mit gequälter Miene tat Laurel so, als würde sie ihre Lippen mit einem Reißverschluss zuziehen.
»So.« Zufrieden streifte Parker die Schuhe von den Füßen, zog die Beine an. »Dann wären wir ein Liebespaar und würden hin und wieder zusammen verreisen, je nachdem, wie unsere Zeitpläne es erlaubten. Natürlich würden wir auch manchmal streiten, aber wir würden immer alles im Gespräch klären, ganz
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