Wir beide, irgendwann
Mr Elliott Emmas Computer überwacht und herausgefunden haben, was wir tun? Für einen Computerexperten dürfte das kein Problem sein. Vielleicht ist Emma deshalb nicht zum Lunch erschienen. Vielleicht ist sie geschnappt worden, wollte meinen Aufenthaltsort aber nicht preisgeben.
Ich frage so ruhig wie möglich: »Wissen Sie, worum es geht?«
»Ich weiß nur, dass du deine Sachen mitnehmen kannst«, antwortet Mr Elliott und fährt sich durch seine schuppigen Haare. »Für dich ist der Unterricht beendet.«
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Ich sehe bereits meine Eltern vor mir, wie sie mit ernsten Mienen und verschränkten Armen im Büro des Direktors auf mich warten. Der Schulpsychologe und vielleicht auch der eine oder andere Lehrer werden ebenfalls anwesend sein, um ihre Ansicht zur Gesamtproblematik beizusteuern. Emma und ihre Mom werden betreten auf ihren Stühlen sitzen, und Martin wird ein Gesicht machen, als wäre er lieber ganz woanders.
»Ihr habt mit eurer Zukunft gespielt«, wird der Direktor kopfschüttelnd sagen. »Habt ihr auch nur die geringste Vorstellung davon, wie gefährlich das ist?«
Die Lehrer werden uns lange Vorträge über die Folgen halten, die nicht nur uns allein, sondern die gesamte Menschheit betreffen.
»Da bist du ja!«
Sydney steht vor dem Sekretariat und lächelt mich freudig an. Sie trägt ein dünnes rosa Hemd, Jeans und Sandalen. Sie stellt sich auf die Zehen und winkt mir kurz zu.
Ich kann gar nicht anders, als ihr Lächeln zu erwidern. »Was machst du hier?«
Sydney deutet auf das blaue Formular in meiner Hand. »Na, wie gefällt dir dein Entlassungsschein?«
»Das warst du?«
Sie zwinkert mir zu. »Gern geschehen.« Dann nimmt sie mir das Formular aus der Hand und öffnet die Tür zum Sekretariat.
Mrs Bender begrüßt uns hinter ihrem Schalter. »Ich brauche nur die blauen Blätter, dann könnt ihr gehen.«
Als Sydney sich über den Schalter beugt, strafft sich die Jeans über ihrem perfekt geformten Körper. »Hier sind sie, Mrs Bender.« Dann dreht sie sich zu mir um, hakt sich bei mir ein und führt uns auf den Gang hinaus.
»Hast du alles, was du brauchst?«, fragt sie. »Wir kommen nämlich heute nicht mehr wieder.«
Die Nähe ihres Körpers macht es mir schwer, mich zu konzentrieren, zumal die beiden oberen Knöpfe ihres Hemds offen stehen.
»Was hast du vor?«, frage ich.
»Ein paar Erledigungen.«
Die Bücher, die ich heute Abend für die Hausaufgaben brauche, sind in meinem Rucksack. Ich weiß zwar nicht, was wir am Nachmittag noch aufbekommen, kann aber später irgendwelche Leute anrufen, um es zu erfahren. Immer noch habe ich keinen Schimmer, warum man uns für heute Nachmittag vom Unterricht befreit hat. Also sollten wir lieber schnellstens von hier verschwinden, ehe jemand womöglich den Fehler bemerkt.
Während wir das Hauptgebäude verlassen, erklärt mir Sydney unseren Auftrag. Als Vorsitzende des Schülerrats muss sie mehrere Veranstaltungen planen, die zum Schuljahresende stattfinden werden. Da sich ihr Stellvertreter leider in Sport den Knöchel verstaucht hat, braucht sie für die Erledigungen des heutigen Tages einen Ersatzmann und hat mich ausgewählt!
»Ich wusste gar nicht, dass der Schülerrat einen solchen Einfluss hat«, sage ich. »Kannst du dich vom Unterricht befreien lassen, wann immer du willst?«
»Man muss natürlich ein bisschen vorsichtig sein, aber wenn die Schule glaubt, dass ein gewisser Lerneffekt mit der Sache verbunden ist, gibt’s keine Probleme«, antwortet sie. »Wir haben eine Menge zu erledigen, deshalb bin ich heute mit diesem schweren Jungen gekommen.«
Sie tätschelt die hintere Stoßstange eines schwarzen Jeep Cherokee.
»Gehört der dir?«, frage ich. Das Cabrio passt irgendwie besser zu ihr.
»Nein, meiner Schwester«, antwortet sie. »Aber sie und ihr Verlobter haben heute mit mir getauscht. Sie wohnen in derselben Straße wie wir, war also keine große Sache. So was machen wir ständig.«
Ich gehe zur Beifahrertür und klettere hinein. Auf dem Sitz zwischen uns liegt ein Klemmbrett mit einer To-do-Liste.
»Schnall dich an«, sagte sie, während sie den Motor anlässt. »In den nächsten Stunden kann ich deine Muskelkraft gut gebrauchen.«
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Ich nehme eine silber-schwarze Visitenkarte in die Hand, die im Getränkehalter steckte. »Electra Design?«
»Eine der Firmen meines Vaters«, erklärt Sydney. »Für grafisches Design«, fügt sie hinzu.
Electra Design.
»Er gründet ständig neue Firmen. Meine Mom bezeichnet ihn
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