Wir beide, irgendwann
dass sie zu müde waren, um noch mal das Thema anzuschneiden, über das wir bereits in Dads Büro gesprochen hatten.
»Du wäschst vor der Schule deine Kleider?«, sagt Mom. »Das ist ja was ganz Neues.«
»Ich hab mein Zimmer aufgeräumt«, erkläre ich von der Speisekammer aus.
»Das ist noch verwunderlicher«, bemerkt Dad.
Früher sind sie mir mit ihren ständigen Ermahnungen, ich solle mein Zimmer aufräumen, auf den Wecker gefallen, doch schließlich haben sie es aufgegeben. Falls sie das jetzt als meine Art der Entschuldigung auffassen, soll es mir recht sein.
»Ich werde dieses Wochenende staubsaugen«, kündigt Dad an. »Da ist es gut, wenn der Teppich in deinem Zimmer endlich wieder frei ist.«
»Ich mach das schon«, entgegne ich, während ich die Frühstücksflocken in eine Schale schütte. »Ist eine gute Ablenkung von den Hausaufgaben. Jetzt, vor den Prüfungen, kriegen wir immer so viel auf.«
»Wir haben bemerkt, dass du gestern den ganzen Abend auf deinem Zimmer warst«, sagt Mom. »Es ist schön zu sehen, dass du die Schule nicht völlig schleifen lässt.«
Da komme ich ein einziges Mal ein paar Minuten zu spät und schon machen sie sich Sorgen um meine Hausaufgaben. Wenn sie wüssten, dass aus mir mal ein erfolgreicher Grafiker mit einer Villa am See wird, würden sie sich wegen der winzigen Verspätung nicht so anstellen.
»Ich bin mit dem Stoff kein bisschen in Rückstand«, betone ich und übergieße die Flocken mit Milch.
Mom beugt sich über den Tisch und berührt meine Hand. »Das wollte ich auch nicht andeuten.«
»Wir wissen, dass wir großes Glück haben«, fügt Dad hinzu. »Wir betrachten es auch nicht als Selbstverständlichkeit, dass du, abgesehen von diesem einen Mal, sonst immer selbstständig und pünktlich zur Schule kommst.«
»Nachdem du gestern gegangen warst, haben wir uns mit ein paar unserer Kollegen unterhalten«, sagt Mom. »Einige ihrer Kinder kommen anscheinend öfter zu spät zur Schule als rechtzeitig.«
Das Einengende an meinen Eltern besteht darin, dass sie über alles diskutieren müssen. Das war womöglich auch der Grund dafür, warum David quasi ans andere Ende des Landes gezogen ist. Es gefiel ihm nicht, dass unsere Eltern über jedes Detail seines Lebens Bescheid wissen wollten.
Ich darf ihnen auf keinen Fall erzählen, dass Emma mich geküsst hat. Sie wohnt schließlich nebenan! Meine Eltern hätten keine ruhige Minute mehr, sobald sie wüssten, dass ich allein zu Hause bin. Ich könnte natürlich Tyson davon erzählen, aber ich will ihn nicht in diese Sache mit reinziehen, da er ja auch mit Emma befreundet ist.
Mom lässt einen weiteren Zuckerwürfel in ihre Tasse fallen. »Wir möchten dir sagen, dass wir kein Problem damit haben, wenn Emma dich auch weiterhin zur Schule mitnimmt.«
Ich balanciere einen randvollen Löffel mit Frühstücksflocken zu meinem Mund.
»Wir haben Emma sehr gern«, ergänzt mein Vater. »Aber ihr müsst pünktlich sein!«
»Alles klar«, erwidere ich, während mir ein wenig Milch über die Lippen läuft. Ich trockne mein Kinn mit einer Serviette.
Draußen schlägt Emma die Tür ihres Wagens zu. Ich werfe einen verstohlenen Blick auf die Uhr. Wenn sie schon so früh aufbricht, kann das nur heißen, dass sie mir aus dem Weg geht.
Wir reden jetzt offiziell nicht mehr miteinander.
44 ://Emma
Ich justiere meinen Rückspiegel, als ich die Straßenkreuzung erreiche. Falls Josh erwartet, dass ich mich dafür entschuldige, ihn geküsst zu haben, kann er lange warten. Vielleicht hätte ich das nicht tun sollen, doch seine Reaktion darauf hat mich sehr verletzt. Ich bin für den Rest des Abends in meinem Zimmer geblieben und nur zum Essen hinuntergegangen. Habe versucht, ein bisschen Saxofon zu spielen, was mich normalerweise entspannt, doch konnte ich die Töne nicht halten.
An der Kreuzung biege ich links ab. Ich muss heute Abend meinen Vater anrufen, um ihm zu sagen, dass es mir leidtut. Es war wirklich großzügig von ihm, mir diesen Computer zu kaufen. Ich verstehe nur nicht, warum er nicht an den Apparat gegangen ist, als ich ihn gestern Abend noch einmal angerufen habe. Ich habe es später ein weiteres Mal versucht, doch beide Male sprang nur sein Anrufbeantworter an.
»Hier ist die Familie Nelson«, sagte Cynthias Stimme. »Leider können wir Ihren Anruf gerade nicht entgegennehmen. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Piepton.«
Früher waren wir die Familie Nelson.
Ich konnte mich nicht dazu
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