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Wir - die Unsterblichen

Wir - die Unsterblichen

Titel: Wir - die Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Darlton
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der mißbilligend sein weißes Haupt schüttelte. »Mittagessen, Old Joe, Schluß mit der Schulstunde.«
    »Aber ihr habt die Geschichte ja noch gar nicht zu Ende gehört«, wies er sie zurecht, obwohl er wußte, daß er sie jetzt nicht mehr aufhalten konnte.
    »Wir kennen sie ja«, versicherte Sam. »Wir erleben ja selbst das Ende der langen Geschichte.«
    »Aber ihr wißt nicht, wie es dazu kam – und warum. Aber gut, wir haben keine Zeit mehr. Ich werde euch morgen weitererzählen, denn man kann viel daraus lernen. Die Fehler der Vergangenheit sind die Garantie für eine fehlerlose Gegenwart.«
    »Trink deinen Wein aus, Grandy«, zwitscherte Helen und deutete auf den Steinkrug. »Und dann komm zum Essen.«
    Sie wartete keine Antwort ab, sondern nahm ihre Schultasche und rannte über den Kiesweg zum Portal des Herrenhauses. Mary folgte ihr, aber die beiden Jungen hatten keine Lust, das Spiel noch fortzusetzen. Vielleicht fühlten sie sich auch schon zu alt dazu, zu erwachsen. Mit Würde nahmen sie ihre Taschen, nickten ihrem Großvater zu und stolzierten davon. Man sah ihnen an, daß sie einst, wenn sie groß genug waren, diesen Besitz als Herren übernehmen würden.
    Old Joe sah ihnen nach und seufzte. Nun hatten sie seine Geschichte wieder nicht zu Ende gehört. Aber sie hatten ja so recht – das Ende war bekannt. Und es war fraglich, ob sie aus den Geschehnissen der Vergangenheit wirklich lernten. Gab es überhaupt jemand, der das tat?
    Er trank den Rest des Weines, nahm den leeren Krug und stand auf. Aber er schritt noch nicht auf das Haus zu, sondern ging zu dem großen, aufstehenden Park-Portal, von wo aus man einen weiten Blick über die Baumwollfelder hatte. Sie reichten bis zum Horizont, und nur in der Ferne waren zwei weitere Herrenhäuser mit den Gesindeschuppen zu erkennen. Dazwischen sah man die gebückten Rücken der Arbeiter und die Maschinen. Heiß brannte die Sonne herab und ließ die Ernte reifen. Eine Ernte, die heute im neuen Zeitalter der Landwirtschaft doppelt soviel wert war wie damals, als die Technik der Gott der Menschen zu werden drohte.
    Eine Sirene ertönte drüben bei den Schuppen, wo die Sklaven hausten.
    Mittagspause auch hier – erster Ansatzpunkt der Gleichberechtigung, die Old Joe so erbittert ablehnte. Wozu sollte sie auch gut sein? Hatte sie den Weißen nicht nur Unglück und Zwiespalt gebracht? Sollte man daraus nichts lernen können? Der Krug in seiner Hand zitterte unmerklich, als seine alten, doch immer noch scharfen Augen sahen, wie die schwarzen Aufseher ihre Peitschen schwangen und die lange Reihe der Sklaven zusammentrieb. Die Sonne hatte die Rücken der Bedauernswerten gebräunt, aber gegen die schwarze Ebenholzhaut der Herren war sie immer noch weiß.
    »Sie sind glücklich«, murmelte Old Joe störrisch vor sich hin und wandte sich ab. Langsam schritt er auf seinen Palast zu, den leeren Steinkrug in der Hand. »Sie sind wirklich glücklich, denn sie haben die Freizeit nie gekannt und werden sie auch niemals kennenlernen. Sie werden sich niemals fragen müssen, was Gleichberechtigung ist, und sich nicht ärgern müssen, wenn sie das Versprochene niemals erhalten. Ja, hier leben sie glücklich, sie haben ihre Arbeit und ihr Brot. Sie haben nun keine Sorgen mehr.«
    Und als er die Stufen zur Terrasse emporstieg, nickte er dem jungen und hübschen Kindermädchen seiner Enkel freundlich zu. Ihre blonden Haare und die weiße Haut kennzeichneten sie zwar als Angehörige der Sklavenrasse, aber Old Joe wäre der letzte gewesen, der aus der Vergangenheit gelernt hatte.
    Die Hand, die ihm wenige Minuten später das Fleisch auf den Teller legte, war ebenfalls weiß.
    Es gab kein Land auf dieser Welt, in der die Hand eines Dieners und Sklaven nicht weiß gewesen wäre.
    Auch dort nicht, wo man begann, die sogenannte Gleichberechtigung der Rassen wieder einzuführen.

 
Annette Kofol
 
Ahnengalerie
     
    Als wir durch die grünen Wiesen des weiten Landes fuhren, war mir nie ein Tag so hell und strahlend schön erschienen, aber als wir in die düstere Allee der uralten Bäume einbogen, war alle Fröhlichkeit wie weggewischt. Mir war, als sei ich in einem dunklen Zimmer gegen ein Spinnennetz gelaufen.
    Ein seltsames und ungewöhnliches Gefühl für ein Mädchen, das den Eltern ihres zukünftigen Gatten vorgestellt werden sollte.
    Achims roter Sportwagen glitt wie ein metallgewordener Anachronismus durch die Baumschatten, und plötzlich war die Allee zu Ende. Vor uns lag das Gut,

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