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Wir - die Unsterblichen

Wir - die Unsterblichen

Titel: Wir - die Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Darlton
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historischen Trachten und so lebendig, daß ich plötzlich zu glauben begann, sie kämen auf mich zu. Und ohne daß sie sprachen, drangen fremde Gedanken in mein Gehirn, so als wollten sie sich mir vorstellen. Und ich verstand sie.
    Ich wußte auf einmal, daß der Herr ganz links – der Ahnherr des Geschlechts – mit der Kaiserin Theophano aus Byzanz an den Hof Otto des Großen gekommen war, als ihr Hofalchimist. Ich wußte, daß der Ritter im edelsteingeschmückten schwarzen Wams – er erinnerte mich entfernt an Cesare Borgia – das Gut in seiner heutigen Form erbaut hatte.
    Ich wußte alles, und ich fand es selbstverständlich. Nur etwas blieb mir unerklärlich: Der letzte der Ahnen, der Herr ganz rechts, trug eine Allonge-Perücke. Auf seiner gepuderten Wange klebte ein Schönheitspflästerchen. Sein Gesicht schien aus einem galanten Bilderbuch des Rokoko zu stammen.
    Was aber kam danach …?
    Diese Frage brachte mich in die Wirklichkeit zurück. Sie standen auch nicht mehr um mich herum, die Ahnherren, sondern waren in ihre schweren goldenen Rahmen zurückgetreten, von wo aus sie mich anblickten. Erst jetzt fiel mir auf, daß unter den Bildern weder eine Jahreszahl noch ein Name stand. Dafür war in der Mauer unter jedem Bild ein Schrein eingelassen, alle holzgeschnitzt und mit schweren goldenen Intarsien. Zu verwirrenden Mustern verschlungen, erinnerten sie mich an eine Schrift – aber was für eine Schrift?
    Hier fand ich den Anklang an eine Rune, dort eine Hieroglyphe. Oder war es Maja, wie in der Dresdner Handschrift? Nein, doch nicht. Es glich mehr den Holztäfelchen, die man auf den Osterinseln gefunden hatte. Ich erkannte sie aus dem Buch meines Vaters, dessen Steckenpferd die Archäologie war.
    Wenn mich nicht alles täuschte, stand ich vor einer Mischung aus Runen, Hieroglyphen, Maja und Osterinseln. Und ich hatte das Empfinden, daß ich mich nur zu konzentrieren brauchte, um die geheimnisvolle Schrift lesen zu können.
    Und schon wieder eine Sekunde später waren es nur noch Ornamente ohne Sinn und Bedeutung, nur dem skurrilen Schönheitsbedürfnis eines unbekannten Künstlers entsprungen.
    Wer will mir, einem zwanzigjährigen Mädchen verargen, daß ich verwirrt war, so verwirrt wie nie zuvor in meinem Leben – und daß ich erleichtert aufatmete, als sich neben der Nische die verborgene Tür öffnete und Achims Vater in die Galerie zurückkehrte.
    Um seine Lippen lag ein wissendes Lächeln, in seinen Augen jedoch glaubte ich Furcht und Hoffnung zugleich erkennen zu können.
    »Hast du dich ein wenig mit ihnen angefreundet, mein Kind?«
    Eine farblose Definition für das, was ich erlebt hatte. Aber er sollte nicht merken, daß ich mich ängstigte. So kühl und sachlich wie möglich fragte ich zurück:
    »Warum schließt die Ahnenreihe im Rokoko?«
    Ich konnte nicht verhindern, daß meine Stimme zitterte.
    Seine Antwort stürzte mich in einen Abgrund absoluten Nichtverstehens:
    »Weil die anderen noch leben.«
    Ich starrte ihn nur an, zu mehr war ich nicht fähig. Er nahm behutsam meine Hand.
    »Komm, ich werde dich meinem Vater vorstellen – gebe Gott, daß du stark genug dazu bist.«
    Ich folgte ihm willenlos durch die Tür, die er vorher benutzt hatte, um den Rundgang zu verlassen. Wir gelangten in einen dunklen Raum, und nur langsam gewöhnten sich meine Augen an die Finsternis.
    Wir standen in einem runden Saal, an dessen oberen Segment ich einen Stuhl entdeckte – nein, es war vielmehr ein Thron. Er erinnerte mich im ersten Moment an den Ordinationsstuhl eines Zahnarztes. Dieser Eindruck wurde noch durch eine Anzahl von Maschinen verstärkt, die den Stuhl umgaben und von denen ein monotones und doch rhythmisches Klicken ausging.
    Auf dem Stuhl saß ein Mann.
    Achims Vater führte mich näher zu ihm, bis ich ihn genauer erkannte. Das Blut stockte in meinen Adern. Ich hatte schon ägyptische Mumien gesehen, aber noch nie eine lebende. Nun daß eine vor mir, die Arme an den Lehnen angeschnallt, der Körper mit einem am Stuhl befestigten Korsett fixiert, der Kopf von einem Gestell gestützt, das Kinn und Wangen hielt.
    Das Gesicht war alt, aber die Augen sahen mir jung und erwartungsvoll entgegen.
    Von den zahlreichen Apparaturen führten Schlauchleitungen zu dem Körper und verschwanden irgendwo in seinem Gewand.
    Er mußte das Entsetzen auf meinem Gesicht bemerkt haben, denn er sagte:
    »Keine Angst – komm näher, mein Kind …«
    Eigentlich war es kein Sprechen, auch wenn ich seine Worte

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