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Wir - die Unsterblichen

Wir - die Unsterblichen

Titel: Wir - die Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Darlton
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nicht dieser Kontinent«, begann Old Joe und sah hinauf in das unbewegte Blätterdach des Maulbeerbaumes. »Unsere Vorväter kamen aus einem Land, das jenseits des Ozeans im Osten liegt …«
    »Afrika!« meldete sich Sam.
    »Ja, Afrika. Weiß du auch, wie unsere Vorväter von Afrika nach Amerika kamen, Sam? Du hast es doch in der Schule gelernt.«
    »Wir haben das auch schon durchgenommen«, meldete sich Bob. »Die Weißen holten Sklaven …«
    »Ihr kennt den Anfang der Geschichte schon«, lächelte Old Joe gütig und deutete auf Mary und Helen. »Aber unsere Zwillinge noch nicht. Ich muß sie also von Anfang an erzählen.« Zu den Knaben gewandt und mit erhobenem Zeigefinger fuhr er fort: »Und euch schadet eine Wiederholung sicher auch nicht.«
    Er nahm einen Schluck aus seinem Krug und begann:
    »Im siebzehnten Jahrhundert war es, als hier die ersten Kolonien der Weißen entstanden und sich festigten. Man hatte die Fruchtbarkeit des Bodens erkannt, aber es fehlten die billigen Arbeitskräfte, ihn möglichst ertragreich auszunutzen. Skrupellose Sklavenhändler machten aus dieser Situation das größte Geschäft ihres Lebens. Afrika war damals ein junger, unerforschter Erdteil, bewohnt von unseren Vorvätern, die primitiv in Hütten hausten und die teuflischen Waffen der Weißen noch nicht kannten. Sie wurden überfallen und auf die wartenden Schiffe geschleppt. Die Alten und Schwachen wurden gleich ermordet, andere ertrugen die fürchterlichen Strapazen der langen Reise über den Ozean nicht und starben unterwegs. Der Rest landete in Amerika und wurde auf den Sklavenmärkten verkauft. So kamen unsere Vorväter in den Besitz der Herren dieses Landes und mußten Fronarbeiten leisten, bis Alter und Tod sie von ihren Leiden erlösten. Aber dann, im Jahre 1861 der alten Zeitrechnung, wurde der erste Schritt zu unserer Befreiung getan. Damals regierte Präsident Lincoln das Land, und er forderte für alle Sklaven die Freiheit. Die Südstaaten wehrten sich dagegen. Kein Wunder, denn nur dort wurde Baumwolle angebaut und nur dort blühte der Handel mit dem ›Schwarzen Elfenbein‹, wie man die Neger nannte. Der Krieg brach aus, und die Nordstaaten siegten. Zwar wurde Lincoln ermordet, aber sein Kampf war nicht ganz umsonst gewesen. Man gab uns die Gleichberechtigung – wenigstens auf dem Papier. Sicher, offiziell war das Halten von Sklaven verboten, aber die Weißen behandelten uns auch weiterhin wie Menschen einer niederen Klasse. So ging das hundert Jahre. Eine Wende bahnte sich an, als der fünfunddreißigste Präsident Lincolns Vermächtnis antrat und die wahre Gleichberechtigung für uns forderte. Ich habe diese Zeit noch miterlebt, aber ich war noch sehr jung und verstand vieles nicht. Ich wußte nur, daß es wieder die Südstaaten waren, in denen man uns mit Verachtung entgegentrat, nur weil unsere Haut schwarz war. Und auch in einem Südstaat wurde Präsident Kennedy im Jahre 1963 ermordet. Noch ahnte die Welt nicht, was sein Tod für sie bedeutete. Sie trauerte um ihn und vergaß ihren Hader, aber die Zeit schritt weiter. Unser Problem – sie nannten es Rassenproblem – blieb ungelöst.
    Wir erfuhren am eigenen Leib, daß die scheinbare Gleichberechtigung schlimmer ist als offene Sklavenhaltung. Unsere Vorväter waren Sklaven, aber sie wußten, wer ihr Herr war. Sie hatten ihre Arbeit, ihre Aufgabe. Sie wußten, daß sie nicht frei sein konnten und wurden als Sklaven geboren. Niemals hatten sie den Hauch der Freiheit gespürt und ihre Luft geatmet. Sie kannten kein anderes Los. Freiheit war für sie ein Phantom, unwirklich und unvorstellbar. Der weiße Herr war ihr Gott, ihm hatten sie zu gehorchen und sein Wille entschied über ihr Schicksal. Aber nach Lincolns Krieg wurden sie frei. Man sagte ihnen, der weiße Mann sei nicht mehr oder weniger als sie, sie leisteten die gleiche Arbeit wie er, und ihre Kinder gingen mit denen der Weißen auf dieselbe Schule. Es gab schwarze Ärzte und Künstler, Priester und Soldaten. Und doch – es war keine Gleichberechtigung.«
    »Aber sicher war es doch besser als die Sklaverei vorher?« fragte Mary etwas verwundert.
    »Äußerlich gesehen mag es besser gewesen sein, das gebe ich zu. Aber überlege dir – ein Tiger, der in Gefangenschaft geboren wird, kann die Freiheit niemals so schmerzlich vermissen wie ein Tiger – oder irgendein anderes Raubtier –, dem die Flucht gelang und das man wieder einfängt. Die halbe Freiheit ist schwerer zu ertragen als die absolute

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